Wer war/ist Kinky Friedman (Hörbuch) ? - CDs, Vinyl LPs, DVD und mehr

Kinky Friedman - gelesen von Wiglaf Droste

Die Welt in Schach halten

Über den jüdisch-texanischen Countrysänger, Kriminalschriftsteller und Entertainer Kinky Friedman, der für das Amt des Gouverneurs von Texas kandidiert

Im Frühjahr 1992 brachte der Zürcher Haffmans Verlag Ks ersten Kriminalroman in deutscher Sprache heraus. 'Greenwich Killing Time', im amerikanischen Original bereits 1986 erschienen, war eine Offenbarung. So lustig war das Buch, und der Autor ganz offensichtlich ein Teufelskerl. Kinky Friedman war taff, ohne blöde cool zu sein, er pfiff auf Konventionen, er hatte einen ganz eigensinnigen Humor, und er kannte die Menschen. Über Schauspieler schrieb er: "Ich hatte erfahren, dass in diesem Gewerbe Ehrlichkeit das Allerwichtigste war. Wenn man die heucheln konnte, dann konnte man auch fast alles andere." Ich war beeindruckt.

Kinky Friedman schloss mir das Universum noch einmal neu auf. Es ging nicht darum, die Welt verschiedentlich zu interpretieren, und es kam auch nicht darauf an, sie zu verändern. Die Kunst bestand vielmehr darin, im Feuersturm des Lebens eine Haltung anzunehmen und zu bewahren - keine Pose, sondern eine wirkliche Haltung. Auf der ersten Seite von 'Greenwich Killing Time' beschreibt Friedman diese Haltung so: "Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück, paffte ein wenig und versuchte die Welt einfach so in Schach zu halten." Ja, das war es: versuchen, die Welt in Schach zu halten.

Der Satz geht allerdings noch weiter: "Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück, paffte ein wenig und versuchte die Welt einfach so in Schach zu halten, als die Telefone klingelten. Ich hatte die Angewohnheit, zwei rote Telefone am linken und am rechten Rand meines Schreibtisches zu plazieren, die beide am selben Anschluss hingen. Das erhöhte irgendwie die Bedeutung meiner Telefonate." Ah ja - der Mann hatte eindeutig einen Spleen, den er selbstbewusst kultivierte und ihn einer Angeberwelt voller modischer Dummgurkenlaberer entgegenhielt: "'Touché', sagte Myers. Ich mochte Leute, die 'touché' sagten, etwa genauso gern wie Leute, die 'ciao' sagten. Ich mochte nicht mal Italiener, die 'ciao' sagten, obwohl ich einsah, dass sie sonst ziemliche Schwierigkeiten hätten, einen Raum zu verlassen."

Tief tunkte ich mich ein in die Welt des Kinky Friedman. Jedes Jahr erschien nun ein neuer Roman, in dem sich 'der Kinkster', wie er von seinen Freunden, allen voran Larry 'Ratso' Sloman genannt wird, als Sherlock Holmes-artige Hauptfigur inszeniert. All das, erfuhr ich, war kein Fake - Kinky Friedman wirft sein eigenes Leben in die Waagschale und schreibt es neu, lässt Freunde und Kollegen seine Romane bevölkern und verlangt ihnen dabei mindestens soviel Humor ab wie sich selbst. Denn so schön Kinky Friedman schreiben kann: Der Mann beschönigt nichts. "Ich durchstreifte mein Loft", schreibt er ziemlich oft - eine hübsche Formulierung für ein Leben, das vor allem von Alleinsein geprägt ist.

Es gibt Freunde und Freundschaft in Kinky Friedmans Romanen - jeden seiner Freunde aber zählt er bei der Aufklärung von Morden zu den Tatverdächtigen. Die Liebe ist eher eine Erinnerung als etwas Reales; der Traum von einem 'Mädchen im pfirsichfarbenen Kleid' durchweht seine Bücher. Zwar tauchen zwei Frauen auf, eine 'Uptown-Judy' und eine 'Downtown-Judy', doch sie bleiben peripher. "Im großen und ganzen zog ich die Katzen den Frauen vor", heißt es in 'Greenwich Killing Time,' "denn Katzen benutzten höchst selten das Wort 'Beziehung'." Das leuchtet ein, denn furchtbar klingt es, das böse Wort mit B - nach dem Gewürge, das übrig bleibt, wenn die Liebe vorbei ist.

Wer Kriminalromane um des Whodunnits willen liest, ist bei Kinky Friedman falsch. Seine Mordgeschichten geben nur den Rahmen für die lakonischen, melancholischen oder komischen Sentenzen, mit denen er sich der Daseinsidiotie entgegenschwingt. In 'Lone Star', im Original 1987 und auf deutsch 1993 erschienen, schreibt Kinky Friedman: "Ich rauche bis zu zehn Zigarren am Tag und erwarte, ewig zu leben. Natürlich inhaliere ich nicht. Ich puste den Rauch nur auf Kleinkinder, Grünpflanzen, Vegetarier und alle, die gerade zu dem Zeitpunkt joggen, an dem ich ausatme. Man muss daran arbeiten, ein guter Raucher zu sein. Speziell heute, wo einem die nichtrauchende Welt ständig Schwierigkeiten macht."

Seine Bücher sind nur ein Teil des Gesamtkunstwerks, das Kinky Friedman aus seinem Leben gemacht hat. Er kam am 1. November 1944 als Richard Friedman in Chicago zur Welt. Schon bald darauf zog seine jüdische Familie nach Texas. Auf der 'Echo Hill Ranch', so erzählt es seine jüngere Schwester Marcie, beschloss der etwa fünfjährige Kinky Friedman, Countrysänger zu werden. Den Plan machte er etwas später wahr; er gründete die Band 'Kinky Friedman and The Texas Jewboys' und wurde nach eigener Auskunft "der einzige Jude außer Jesus, den man in Texas kennt."

Dass man ihn kannte, bedeutete nicht unbedingt, dass man ihn auch liebte. Wenn Friedman und seine Band das Lied Proud To Be An Asshole From El Paso spielten, mussten sie manchmal flink zum Tourneebus eilen; manche amerikanische Südstaatler reagieren auf eine wahrheitsgemäße Beschreibung ihres Staates und seiner Insassen etwa so humorvoll und gelassen wie Brandenburger, denen man sagt, wie es um sie und den Landstrich bestellt ist, in dem sie hausen. Auch irrtümlich für aufgeklärt sich haltende Frauen konnten handgreiflich und rabiat werden, wenn Kinky Friedman auftauchte. Für sein Lied Get Your Biscuits in the Oven And Your Buns In The Bed wurde er von Women's Lib zum 'Sexist Of The Year' gewählt. Seine charmante Replik, "Yes, it's true, I'm the sexiest", machte die Sache nicht leichter. Die deutlichen Ironiesignale des Songs wurden ignoriert, Friedman wurde der Einfachheit halber zum Feind der Frauen und also der Menschheit erklärt.

Auch mit seinem grandiosen Song They Ain't Makin' Jews Like Jesus Anymore machte sich Friedman jede Menge Feinde; das Lied ist eine deutliche Ansage an Antisemiten, die, kaum dass man sie zur Rede stellt, selbstverständlich nicht sein wollen, was sie sind. Dass die Juden nicht mehr jesusmäßig die andere Wange hinhalten, wie es ihnen von Leuten nachgesagt wird, die ihnen damit infamerweise zumindest eine Mitschuld am Holocaust zuschieben wollen, ist eine schöne Botschaft an die Welt. Kinky Friedman hat sie in der ihm eigenen Mischung aus Härte und Humor formuliert: "They ain't makin' Jews like Jesus anymore / they don't hold the other cheek the way they did before."

Kinky Friedman (Hörbuch) Greenwich Killing Time - Wiglaf Droste
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