Wer war/ist Fasia Jansen & Dieter Süverkrüp ? - CDs, Vinyl LPs, DVD und mehr

Fasia Jansen & Dieter Süverkrüp

'Fasia – geliebte Rebellin' (Buchtitel)

1960 fand die Ostermarschbewegung mit einem Marsch von Hamburg zum Raketenübungsplatz Bergen-Hohne ihren deutschen Anfang. Ein Jahr später waren bereits 20.000 Menschen in mehreren Bundesländern auf der Straße. 1963 folgten dem Ostermarschaufruf, in dem von einer "sinn- und maßlosen Rüstungspolitik in Ost und West" die Rede ist, durch die eine "friedliche Zusammenarbeit der Völker" verhindert werde, Demonstranten in allen Bundesländern. 1964 zählte man 100.000 Teilnehmer. Zu den öffentlichen Befürwortern der Ostermarschbewegung gehörten Prominente wie Hans Magnus Enzensberger, Rolf Hochhuth, Erich Kästner und Martin Niemöller. Die Menschen marschierten auf den Straßen mit Liedern gegen die Bombe. Die Texte standen in vier zwischen 1961 und 1966 unter dem Titel 'Lieder gegen die Bombe' veröffentlichten Liederheften. Neben Hüschs 'Gesängen gegen die Bombe' erschienen 1963 die ersten 'Ostersongs 62/63' als Schallplatte bei pläne – mit Gerd Semmer, Dieter Süverkrüp, Fasia Jansen und den 4 Conrads. Geradezu zur Hymne der Atomwaffengegner in Deutschland wurde das von Hannes Stütz geschriebene Lied Unser Marsch ist eine gute Sache – hier gemeinsam gesungen von Fasia Jansen und Dieter Süverkrüp.

Neben Hüsch und Süverkrüp gehörte Fasia Jansen zu den bekanntesten Gesichtern bei den Ostermärschen. Die 1929 geborene Tochter eines schwarzafrikanischen Konsuls und eines weißen Hamburger Dienstmädchens wurde im Alter von 15 Jahren als Zwangsarbeiterin in der Küche des Außenlagers des Konzentrationslagers Neuengamme eingesetzt und erlebte dort furchtbare Situationen. Sie trug aus dieser Zeit eine Herzkrankheit davon, an der sie schließlich 1997 verstarb. Die Erfahrungen in der Nazizeit prägten Fasia Jansen für den Rest ihres Lebens. Schon in den 50er Jahren schrieb sie erste politische Lieder – Lieder die meist für einen konkreten Anlaß gedacht waren, für eine Demonstration, für einen Streik oder für eine Kundgebung, weniger für den konzertanten Auftritt. Fasia Jansens besonderes Interesse galt dem Kampf um Frieden – von den Ostermärschen Anfang der 60er Jahre bis zur Friedensbewegung der späten 70er Jahre. Sie sang gegen den Vietnamkrieg, gegen die Notstandsgesetze und zur Unterstützung der Arbeiter, nicht nur im Ruhrgebiet, wo sie in Oberhausen lebte. Mitte der 80er Jahre trat sie auch an der Seite der britischen Bergarbeiterfrauen gegen die Vernichtung von tausenden von Arbeitsplätzen auf. Ein Kampf, der nach fast einem Jahr verloren wurde. Für Fasia Jansen war dies jedoch kein Grund zur Aufgabe ihres Engagements: "Wäre ich einfach nur Sängerin, würde ich alles hinschmeißen. So aber weiß ich – wir sehen uns wieder, denn in diesem und in anderen Kämpfen wird politisches Bewußtsein gebildet …"

Auch Fasia Jansens Lied Verbrannte Erde in Deutschland wurde zu einer wichtigen Hymne der Ostermarsch- und Friedensbewegung. Es entstand Mitte der 60er Jahre im Zuge der Proteste gegen die geplante Errichtung eines Atomminengürtels entlang der Grenze zur DDR und begründete den Ruf Jansens als politisch engagierte Sängerin. Zur Sicherung, Aufarbeitung und Veröffentlichung ihres Nachlasses wurde nach ihrem Tod die Fasia-Jansen-Stiftung gegründet.


DIETER SÜVERKRÜP

"Ich bin dagegen, Gesang und jedwede Kunst einer Idee dienstbar zu machen. Aber ich halte es für ganz natürlich, daß man in der Kunst (oder Volkskunst) das ausspricht und behandelt, was einen beschäftigt." (Dieter Süverkrüp)

In einem Brief an das 'Folk-Magazin' formulierte Dieter Süverkrüp einmal sein Selbstverständnis in typisch sarkastischer Art als "richtiger orthodoxer, revisionistischer, alter, unverbesserlicher, marxstisch-leninistischer Kommunist", der seinen Liedern "nie Initialcharakter, sondern immer nur Begleitcharakter" (Programmheft der Internationalen Essener Songtage, IEST 1968) zubillige. Daher ist es nicht überraschend, daß der Meister eines fein ziselierten Gitarrenspiels und intelligenter Texte Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre gleich mehrere "Hits der Bewegung" (Bernhard Hannecken) schrieb. Darunter die hier vertretene Erschröckliche Moritat vom Kryptokommunisten oder das Lied vom roten Punkt, das damals bei den Demonstrationen gegen Fahrpreiserhöhungen angestimmt wurde.

Die KPD war längst wieder verboten, Kommunistenfurcht wurde in der Bundesrepublik trotzdem weiterhin geschürt. Neben Franz Josef Degenhardt und Hannes Wader gehörte auch Dieter Süverkrüp zu den wichtigen Liedermachern jener Zeit, die sich dennoch öffentlich als Kommunisten bekannten. Er trat 1972 der DKP bei. Bereits sechs Jahre vorher war das Lied vom 'Kryptokommunisten' entstanden, in dem Süverkrüp einige der Klischeevorstellungen, die aus der Adenauer-Ära stammten, teils noch aus der Hitler-Zeit, an einem fiktiven Kommunisten abhandelte: "Er kann, weil illegal, nur im Verborgenen, eben 'kryptisch’ arbeiten, ist zwangsläufig ost-orientiert, nämlich auf die Sowjetunion, ist Untergrundkämpfer, Frühaufsteher, ungewaschener Dreckskerl, asiatischer Typ und Säufer, er unterwandert Organisationen, Institutionen und anderes mehr; man muß ihn als verkappten raubtierartigen Unmenschen begreifen, der Kinder frißt, Brände legt, für den Weltfrieden agitiert, als überlegenen Rhetoriker, der politische Lyrik schreibt, selbstverständlich aus Sachsen (DDR) kommt, was er aber mundartlich zu kaschieren weiß, wenn er politische Infiltration betreibt. – Die Bombe in Bonn war damals publizistischer Natur und betraf die frühere KZ-Baumeister-Aktivität des amtierenden Bundespräsidenten Lübke, die drohende Affäre konnte jedoch unterdrückt werden. – Der Kommunist ist perfekt getarnt, immer gut gekleidet, heimlich betreibt er wissenschaftliche Studien in anrüchigen theoretischen Fächern, und er führt ein bürgerliches Familienleben, vermutlich aber mit bösartigen Hintergedanken. – Der Refrain am Schluß 'Huhu is hu?' enthält akustisch das bekannte 'Who is who?' Denn schließlich konnte jedermann ein Kryptokommunist sein, ähnliche Probleme hat man heute mit islamischen Terroristen."

Viel Staub wirbelte 1968 die von Dieter Süverkrüp gemeinsam mit Floh de Cologne eingespielte pläne-Platte 'Vietnam' auf. Süverkrüp hatte die Gruppe ein Jahr zuvor im Kölner Gürzenich bei einer Aufführung ihres vierten Programms 'Zwingt Mensch raus' kennengelernt, wo er von Reinhard Hippen im Publikum entdeckt wurde, der für die Zeitschrift 'Song' einen Bericht über den Abend schrieb: "Dieter Süverkrüp hatte für seinen Mantel endlich einen Garderobenhaken gefunden und ganz vorne einen Stuhl besetzt. Die Darsteller, die schon vor der Vorstellung kräftig im Publikum herumturnten, tauschten auch mit ihm hinter vorgehaltener Hand Geheimnisse aus (Berufsgeheimnisse?)." Die Flöhe waren damals noch keine Politrockgruppe, sondern verstanden sich eher als Kabarettisten oder als Anti-Kabarettisten, indem sie gegen alle Konventionen des Genres verstießen. Das Vietnamprogramm von Floh de Cologne – "mit Texten von nahezu kabarettfeindlicher Schärfe und mit sparsamer, intelligent eingesetzter Musik" (Dieter Süverkrüp) – verband Süverkrüp mit seinem eigenen kurzen Vietnam-Zyklus, den er für Autritte bei politischen Veranstaltungen geschrieben hatte. Das gemeinsam eingespielte Programm trug dann den Untertitel 'Vietnam für fünf Sprech- und Singstimmen, Streicher, Bläser, Orgel, Baß, Schlagwerk, Klavier und Gitarren'. Die historische Perspektive des hier aufgenommen Liedes beschreibt Dieter Süverkrüp so: "Im Vietnam-Krieg verteidigten die USA demokratische Werte und westliche Freiheit gegen deren weltweite Bedrohung durch den Kommunismus; so wurde es immer wieder dargestellt, regierungsoffiziell und in den Medien; so wurde es von der Mehrheit der Bevölkerung verstanden und akzeptiert; diese Mehrheit fühlte sich folgerichtig trefflich beschützt, wenn der Oberkommandierende der US-Streitkräfte sagte, in diesem Krieg laufe alles korrekt nach Plan."

Für Dieter Süverkrüp hatte die SPD spätestens mit dem Godesberger Programm 1959 ihren linken Anspruch aufgegeben. Während große Teile der Linken den Regierungsantritt der sozialliberalen Koalition unter Bundeskanzler Willy Brandt hoffnungsvoll begleiteten, formulierte Süverkrüp in Machtwechsel seine Zweifel an der Aussicht auf grundsätzliche gesellschaftlich Umwälzungen: "Mit Beginn der 60er Jahre hatte sich, zunächst langsam, eine zusätzliche außerparlamentarische Opposition entwickelt; sie kritisierte die Regierungspolitik ziemlich grundsätzlich, zunehmend schärfer, artikulierte sich schließlich auch antikapitalistisch und radikal revolutionär, hatte jedoch keine einheitliche Konzeption. – Als die SPD die Regierung übernahm, wurde in den Medien allgemein von einem Machtwechsel gesprochen, das nährte vage, sogar illusionäre Hoffnungen in weiten Kreisen, auch in Teilen der APO, wie die außerparlamentarische Opposition dann hieß. Im Liedtext werden diese Hoffnungen konfrontiert mit dem, was eine SPD unter dem Kanzler Brandt ernstlich leisten wollte. Gefordert wurde viel, viel mehr; im einzelnen: Atomwaffensperrvertrag unterschreiben, DDR anerkennen, Münchner Abkommen annullieren, Oder-Neiße-Grenze akzeptieren, NPD auflösen … soviel wurde dann auch in Angriff genommen, teilweise realisiert. Aber die lange Liste der aktuellen APO-Forderungen geht noch weiter: Bundeswehr entnazifizieren, NATO verlassen, Rüstung einschränken, demokratische Reformen großzügig finanzieren, Wirtschaftsgiganten entmachten, die kleinen Leute begünstigen, Notstandsgesetze stoppen, Springer-Konzern zerschlagen, Streikrecht stärken, Arbeitermacht errichten, das revolutionäre Vietnam völkerrechtlich anerkennen, das ganze Bildungssystem erneuern! Und so weiter. – Zu den Wortspielen: Belegschaftsabbau nannte man damals 'Gesundschrumpfung'; als 'Fachidioten' wurden banausische Gelehrte in den Unis bezeichnet; der Begriff 'Lustgewinn' spielte eine Rolle in der allgemeinen Psychologie-Diskussion jener Tage. Der Name Friedrich Flick galt als Inbegriff rücksichtslosen Industriemagnatentums. Der Dichter Günter Grass galt als engagierter SPD-Hymniker."

Ende der 70er Jahre stellte Dieter Süverkrüp beim Publikum ein wachsendes emotionales Bedürfnis nach "stimmungsvollem Konsens" sowie abnehmendes Interesse am politischen Diskurs fest. Eine Entwicklung, die dazu beitrug, daß er als Liedermacher aufhörte. "Im nachhinein weiß ich, was ich mir damals nicht eingestehen wollte: eine historische Alternative zum real prosperierenden Kapitalismus (inzwischen nennt er sich ja wieder selber so) wollte so recht eigentlich niemand haben. Kein Wunder, denn die Alternative wurde zunehmend unattraktiver und zweifelhafter. Eigentlich hat, was ich 1980 schrieb, nicht mehr funktioniert, von wenigen Ausnahmen abgesehen. So beschloß ich dann auch, 1987, die Liedermacherei ganz aufzugeben; das lange geplante Konzert 1989 in der Comedia Colonia sollte mein letztes sein. Das habe ich dort laut und deutlich gesagt, keiner wollte mir glauben, aber es war der Schlußpunkt" (zitiert nach Robert von Zahn, 'pläne und der Aufstand gegen die Republik', Münster, 2002). Nur zur Vorstellung seiner 2002 als Buch und auf vier CDs erschienenen Werkschau 'Liederjahre – 1963-1985 ff' trat Dieter Süverkrüp dann noch einmal auf.

 

Auszug aus
Various - Liedermacher in Deutschland
Vol.2, Für wen wir singen (3-CD)
/various-liedermacher-in-deutschland-vol.2-fuer-wen-wir-singen-3-cd.html

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