Pete Seeger 1919 – 2014

The Power of Song – Erinnerung an Pete Seeger (3.5.1919 – 27.1.2014)
Pete Seeger wusste, wie machtvoll Musik sein kann. Er glaubte daran, die Welt damit verändern zu können. Und er hat es getan. Ohne Pete Seeger und die Folkmusik hätte die Bürgerrechtsbewegung anders ausgesehen. We Shall Overcome wurde ihre Hymne.
Geboren wurde der Musiker und Aktivist am 3. Mai 1919 in New York. Sein Vater war Dirigent und Musikethnologe. Seine Mutter Geigenlehrerin. Ein Soziologiestudium in Harvard gab der junge Seeger schnell auf: Er interessierte sich nur noch für Musik – sowie für die Arbeiterbewegung und den Sozialismus. Er traf Woody Guthrie, mit dem er in den frühen Vierzigerjahren gemeinsam durchs Land zog und dabei bittere Armut, politischen Widerstand, Verzweiflung und auch Hoffnung kennen lernte. Er wurde Mitglied der Kommunistischen Partei. Zwar nur für einige Jahre, was an seiner politischen Grundhaltung jedoch nichts änderte. Bis an sein Lebensende betrachtete er sich als Kommunist: „Die Welt wird nicht überleben, solange das Privateigentum der Gott aller Götter ist. Nur der Geist der Zusammenarbeit wird die menschliche Rasse vielleicht retten.“Mit den Almanac Singers, denen u. a. Woody Guthrie angehörte, trat Pete Seeger für Gewerkschaften und Landarbeiter auf. Nach dem Krieg gründete er mit Lee Hays, Ronnie Gilbert und Fred Hellerman die Weavers. Mit Titeln wie Lead Bellys Goodnight Irene sangen sie sich in das Herz von Millionen von Amerikanern, die sich um die politischen Ansichten der Gruppenmitglieder nur wenig scherten – wenn sie überhaupt etwas davon wussten.
Trotz ihres Erfolgs wurden auch die Weavers Opfer der antikommunistischen Hetzjagd der McCarthy-Ära. Pete Seeger wurde Jahre von den US-Bildschirmen verbannt. Seinen Lebensunterhalt verdiente er mit Konzerten in Schulen, für Kirchengemeinden und kleine politische Gruppierungen. Für ihn stand es nie zur Debatte aufzugeben. Auf das Engagement in der Arbeiter- und in der Gewerkschaftsbewegung folgte für Seeger Ende der Fünfziger-, Anfang der Sechzigerjahre die Bürgerrechtsbewegung. Was Rassismus bedeutete, wusste er von seinen schwarzen Freunden, wie dem 1949 verstorbenen Lead Belly. Wie Guthrie war auch Seeger davon überzeugt, dass der Kampf gegen den Faschismus nicht nur in Übersee, sondern auch im eigenen Land geführt werden musste. Für beide war Rassismus eine Form von Faschismus. Immer wieder erzählte Pete Seeger von einem Auftritt von Woody Guthrie, Brownie McGhee und Sonny Terry bei einer Veranstaltung, bei der für Kriegsanleihen geworben wurde. Nach ihrem gefeierten Auftritt sei der Veranstalter gekommen und habe gesagt, „Herr Guthrie, wir haben hier einen Platz am Tisch für Sie. Ihre Freunde können in der Küche sitzen.“ Woody Guthries Reaktion: „Was soll das? Sie haben uns zusammen singen gehört. Können wir nicht zusammen essen?“ Aber der Mann habe entgegnet: „Herr Guthrie, wir sind in Baltimore. Vergessen Sie das nicht.“ Guthrie habe daraufhin nur gemeint: „Der Kampf gegen den Faschismus muss genau hier beginnen.“ „Dann hob er den Tisch an“, erinnerte sich Pete Seeger, „und die Gläser und das Geschirr krachten auf den Boden. Da packten sie ihn an beiden Armen und drängten ihn hinaus. Sonny rief nur: ‚Woody, du bringst uns in Schwierigkeiten. Ich kann nicht richtig gehen und Brownie ist blind‘. Aber Woody rief weiter ‚Der Kampf gegen den Faschismus muss hier und jetzt beginnen‘.“
Nach seinem lebenslangen Engagement – für Gerechtigkeit, gegen den Vietnamkrieg, gegen die Zerstörung der Natur, gegen den Kapitalismus – muss es für Pete Seeger ein bewegender Moment gewesen sein, zwei Tage vor Barack Obamas Amtsantritt als neuer US-Präsident gemeinsam mit Bruce Springsteen und seinem Enkel Tao Rodriguez-Seeger vor einer halben Million Menschen vor dem Lincoln Memorial in Washington Woody Guthries This Land Is Your Land anzustimmen.
Pete Seeger hat im Laufe seines Lebens viele Ehrungen erfahren und Preise bekommen – u. a. Grammys für seine Musik, die Aufnahme in die Songwriters Hall of Fame und die National Medal of Arts, die bedeutendste Auszeichnung, die durch den Kongress der Vereinigten Staaten an Künstler und Förderer der Künste verliehen wird – und im März 2009 nahm sein Enkel in Stockholm stellvertretend den Freemuse Award entgegen. Die in Kopenhagen ansässige Organisation, die sich gegen die Zensur von Musik engagiert, ehrte Seeger für seinen lebenslangen Einsatz für die künstlerische Freiheit. Pete Seeger selbst waren andere Dinge viel wichtiger als alle Ehrungen. Nicht zuletzt Beacon, der Ort an dem er seit 1949 mit seiner im vergangenen Jahr verstorbenen Frau Toshi lebte. Mit Blick auf den geliebten Hudson, für dessen Rettung er sich seit den Siebzigerjahren einsetzte.
Noch im vergangenen November stand Pete Seeger zusammen mit Woody Guthries Sohn Arlo bei ihrem traditionellen Thanksgiving-Konzert in der New Yorker Carnegie Hall auf der Bühne. Die beiden Musiker verband eine jahrzehntelange  Freundschaft und musikalische Partnerschaft. „Pete hat das System besiegt, das ihn umbringen wollte“, meint Arlo Guthrie. „Du spürst die Kraft dieses Mannes. Er war schon immer sehr klug, doch nicht in einem akademischen Sinn. Ganz bewusst wollte er das nicht. Er wollte jemand sein, der so wie Woody Guthrie daran glaubte, dass jeder Mensch Würde besitzt. Dass jeder Mensch einzigartig und wunderbar ist. Das hat er immer wieder gesagt und die Menschen daran erinnert, wie wichtig sie und ihre Arbeit sind. Und wie wundervoll die Welt sein würde, wenn alle zusammen arbeiten würden. Pete hat daran geglaubt.“
Wer Pete Seeger einmal erlebt hat, wie er aufrecht stehend ins Tal über den Hudson blickte, nahm ihm ab, dass er trotz vieler negativer Erfahrungen in seinem langen Leben immer voller Zuversicht war. „Ich kann mir keinen glücklicheren Menschen vorstellen“, sagte er. „Ich habe von meiner Musik gelebt. Meine Kinder hatten nie Hunger und immer etwas zum Anziehen. Ich bin für die Menschen aufgetreten, die mit mir singen wollten. Es hat zum Leben gereicht. Was mehr kann man sich wünschen?“
Michael Kleff

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