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Galileo
Rolle. Laughtons Galilei’ hat Brecht die Arbeitsmethode
ausführlich beschrieben, die entsprechenden Passagen
finden sich hier im Booklet. Als Nebenresultat bleibt
festzuhalten, dass der intensive Arbeitsprozess natürlich
auch Auswirkungen auf Brechts Englisch hatte. Dazu James
K. Lyon:
„Anscheinend hat er damals, nach vier Jahren
Aufenthalt im Lande, zum erstenmal die Sprachgrenze durch-
brochen. In Briefen an Berlau klagt er, wie anstrengend ,das
Immerfort-Englisch-Reden’ mit Laughton sei. In den vor-
handenen Manuskripten erscheinen immer mehr englische
Wendungen in Brechts Handschrift.“
Nach mehreren, zumeist Filmverpflichtungen
Laughtons geschuldeten Unterbrechungen lag Anfang Sep-
tember 1945 die erste abgeschlossene Fassung vor: ‚Galileo
by Bertolt Brecht, English version by Charles Laughton’.
Hanns Eisler begann mit der Komposition einer Bühnen-
musik. Bisher hatte die Arbeit allein der adäquaten eng-
lischen Übertragung des Stückes von 1938/39 gegolten.
Jetzt aber erlebte die Welt mit dem Abwurf der ameri-
kanischen Bomben auf Hiroshima und Nagasaki (6./9. Au-
gust 1945) den Beginn des Atomzeitalters – was Brecht zu
einer grundsätzlichen Umarbeitung veranlasste. Dazu
schreibt Lyon:
„Mit dem Anbruch des ,atomarischen Zeit-
alters’, so Brecht, habe sich die Biographie des Begründers
der modernen Physik von heute auf morgen verändert, da
sein Konflikt mit der Obrigkeit nun in schärferem Licht er-
scheine. […] Er fertigte eine Neufassung an, um die Kon-
turen schärfer herauszuarbeiten und Galilei ausdrücklich zum
Verräter zu stempeln. Die Fassung von 1938/39 machte vor
dieser Verurteilung halt und wog Galileis scheinbaren Verrat
an der Wissenschaft gegen seine Überlistung der Inquisition
auf. […] Ende 1945 entfernte Brecht alles, was als Recht-
fertigung von Galileis Handlungen verstanden werden
konnte.“
Anfang Dezember war gemeinsam mit Laughton auch
die englische Neufassung fertig gestellt, der Schauspieler
präsentierte sie bei mehreren öffentlichen Lesungen vor
„Soldaten, Millionären, Agenten, Kunstfreunden, uner-
müdlich, bekam nicht ein einziges ablehnendes oder selbst
kühles Urteil“
(Brecht im ‚Journal’, 17. Dezember 1945).
Nun konnte man die Aufführung von ‚Galileo’ ins
Auge fassen. Am 10. Dezember notierte Brecht:
„L[aughton] liest das Stück Orson Welles vor, der sofort die
Regie zusagt.“
Die Proben sollten im Spätherbst 1946
beginnen. Im Verlauf des Sommers ergaben sich dann
Meinungsverschiedenheiten, Brecht begann an Welles zu
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