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standen für die damalige Zeit auch in technischer Hinsicht qualitativ durchaus
hochwertige Aufnahmen auf Schellack, die vornehmlich in Warenhäusern zum Preis
von 1 bis 1,25 Reichsmark angeboten wurden. Kauf- und Warenhäuser waren in den
30er Jahren ein überschaubarer, einfach zu erschließender und massenkompatibler
Vertriebsweg. In Zeiten der Weltwirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit erreichte
Stahmann auf diese Weise hohe Absatzzahlen. Schon bald war es ihm möglich, in ein
eigenes Presswerk in Potsdam-Babelsberg umzuziehen, unweit der Babelsberger
Filmstudios. Jetzt erfolgte auch der Label-Namenswechsel von Brillant Special zur
Marke Tempo. Viele heute verschollene Aufnahmen bekannter Tanzmusik-Orchester
unter der Leitung von Hazy Osterwald, Horst Winter, Kurt Widmann oder Bernhard
Etté trugen auch während des Zweiten Weltkriegs zum Erfolg des Unternehmens bei.
Zu den bekannten Tempo-Schlagerinterpreten jener Zeit zählten auch Peter Igelhoff,
Rudi Schuricke und Ralph Maria Siegel (sen.).
Was immer wieder erstaunt: Schon Anfang 1946 kümmerten sich die Überlebenden
in den deutschen Plattenfirmen um einen Neuanfang. Das galt für die Großen wie
Deutsche Grammophon, Telefunken und Carl Lindström AG genauso wie für das kleine
Tempo-Label. Die Firma in Babelsberg war durch Bomben zerstört, und die Tempo-
Produktion war zwischenzeitlich nach Ehrenfriedersdorf in Sachsen ausgelagert worden.
Allerdings konnte Stahmann seine Tätigkeit dort nicht fortsetzen. In der Nazi-Zeit
politisch vorbelastet, musste er laut Autor Bernd Meyer-Rähnitz die Matrizen und
sonstigen Besitzwerte der von Ernst Busch neu gegründeten Plattenfirma dort
überlassen. Das erklärt, warum alte Tempo-Aufnahmen von Amiga wiederveröffentlicht
werden konnten. Wie für die Firmen Telefunken und Lindström lag auch für Otto
Stahmann die Zukunft im Westen. In Bad Pyrmont betrieb er eine Firma Phonotechnika
Otto Stahmann, und im nicht weit entfernten Diepholz gründete er – seit August
1946 entnazifiziert – wenig später die Schallplattenfabrik Union-Record GmbH.
Interessanterweise tat er sich dort mit Karl Neumann zusammen, dessen Familie
heute noch in Diepholz das renommierte Presswerk Pallas betreibt. Die
Zusammenarbeit war nicht von Dauer, und Stahmann zog mit Frau und Firma nach
Bayern, dessen Staatsangehörigkeit die Stahmanns schon lange vor dem Krieg
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