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üblichen „Werbefunk“ verschiedener Radiosender wurden die neuesten Tempo-
Platten vorgestellt und beworben. Meißners Strategie trug schnell Früchte. 1960
zog die Firma in das 5 Kilometer entfernte Großhesselohe, einem Ortsteil von Pullach
am Stadtrand von München. Die meisten Nachkriegsaufnahmen erschienen auf
dem Tempo-Label, nur vornehmlich Klassikaufnahmen wurden auf dem Label Spezial
Record veröffentlicht.
Was Tempo mit seiner Repertoireauswahl anbot, gibt einen Eindruck vom
Schlagergeschmack der Nachkriegszeit und der Wirtschaftswunderjahre. Die frühen
Nachkriegsaufnahmen wurden von damals bekannten Namen eingespielt, wie den
Orchestern Werner Scharfenberger und Kurt Graunke, später von Ernst Jäger in
seinen verschiedenen Formationen und selbst Christian Bruhn findet sich als
Orchesterchef mit seinem richtigen Namen auf einzelnen Aufnahmen wieder. Hinter
Künstlern und Pseudonymen verbergen sich oft Musiker und Sänger, die später
erfolgreiche Radioleute wurden (Fred Artmeier, Teddy Parker) oder bis heute
bekannte Volksschauspieler sind, wie Walter und Gerd Fitz. Und es gab Künstler,
die auch bei anderen Labels beheimatet waren und die Interpreten zahlreicher
Tempo-Produktionen sind: Oberkrainer Sextett Janez Kalsek, Anton Karas, Charly
Tabor, Angèle Durand und vor allem der am 22. Januar 2014 verstorbene Fred
Bertelmann, dessen Pseudonym von Tempo erfunden wurde.
Der aus heutiger Sicht abrupte Geschmackswechsel von Heide- und Heimatliedern
zu Lust und Liebe der Beat-Songs entstand durch ein simples Kalkül. Grundlage der
Repertoireauswahl waren die ersten zehn Positionen der Hitparaden, und die wurden
mehr und mehr von ausländischen Einflüssen dominiert. Keiner deutschen
Plattenfirma war entgangen, welche Hysterie die Beatles bei den Teenagern
auslösten. Außerdem hatten die großen Labels wie Philips, Teldec und Polydor in
Hamburg nicht länger ignorieren können, was sich in den 60ern im Star-Club
abspielte. Neben den Beatles, kurzzeitig auch mit Tony Sheridan als Beat Brothers
im Studio, traten an der Großen Freiheit die Searchers und Dave Dee, Dozy, Beaky,
Mick & Tich auf – ebenfalls Importe aus England. Alles was von der Insel jenseits
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