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erworben hatten. In München mietete die Firma von der Stadt eine ehemalige
Schweinemästerei in der Neurieder Straße 118.
Der Neustart in München verlief problematisch, weil es immer wieder zu
Produktionsausfällen kam. Woher die ersten Veröffentlichungen auf Schellack kamen,
ob durch Verwendung alter eigener Matrizen oder durch Tausch und Ankauf bei
anderen Firmen, ist nicht mehr feststellbar, ebenso wenig woher die
Schallplattenpressen und anderen Produktionsmittel stammten. Überliefert ist, dass
sie vorhanden waren und dass die Herstellung der Schellacks planmäßig anlief.
Otto Stahmann konnte sich nicht mehr all zu lange an der Wiedergeburt seiner
Firma erfreuen – er verstarb wenige Monate nach dem Umzug. Und wie so häufig
kriegten sich erst einmal die Erben in die Wolle. 1950 kaufte Oskar Meißner den
Erben das Unternehmen ab. Der in der Branche völlig unbeleckte ehemalige
Kapitänleutnant im gerade beendeten Weltkrieg übernahm erfolgreich das Ruder
und brachte die notwendige wirtschaftliche Kompetenz mit sowie die Fähigkeit,
viele der alten Partner schnell wieder ins Boot zu holen. Während Stahmann
Produktionsausfälle hinnehmen musste, weil Rohstoffmangel und verunreinigte
galvanische Anlagen eine einwandfreie Matrizenherstellung beeinträchtigte, konnte
Meißner seine Produktion sofort ohne diese Schwierigkeiten hochfahren. Es gab
wieder genügend Rohstoffe und man hatte jetzt auch die Galvanik im Griff.
Während des Schlagerbooms in den 50er Jahren belebte Meißner das Konzept wieder,
das in der Vorkriegszeit schon so gefruchtet hatte: aktuelle Hits, Evergreens und beliebte
Standards aus allen Musikrichtungen mit eigens angeheuerten Musikern und
Vertragssängern neu einzuspielen und für 2,85 (Singles) bzw. 3,95 Mark (EPs), über
dieselben Schienen wie vor dem Krieg anzubieten. Hauptvertrieb blieben Kauf-,
Waren- und Versandhäuser. Nur ein Teil der Produktion ging an Groß- und
Einzelhändler. Mehr als 10 Prozent werden diese am Umsatz damals nicht beigetragen
haben. Für einen seiner Abnehmer, die Woolworth-Kaufhausfilialen, ließ Meißner
Tempo-Plattenbars einrichten, an denen Kunden mit den damals üblichen
„Telefonhörern“ die Schallplatten an der Theke hören konnten. Und im damals
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