M y t h o s L O N D O N - L a b e l
Schwer vorstellbar, daß die Deutschen in den Schwarzmarkt-
jahren etwas anderes als Kartoffelbuddeln und Kohlenklau im
Sinn hatten. Wer das Grauen überlebt hatte, würde in der Trüm-
merlandschaft ja wohl kaum an Unterhaltung denken. Schall-
platten? Schellacks gab es noch in irgendeiner Ecke der Woh-
nung, Nachschub brauchte man eigentlich nicht. Da mutet es
mutig an, daß die D
EUTSCHE
G
RAMMOPHON
G
ESELLSCHAFT
und die
T
ELEFUNKEN
-Platte, deren Fabriken im Krieg größtenteils zerstört
waren, gleich nach 1945 wieder mit der Produktion begannen.
Und nicht nur das. Bereits 1947 wurden Kontakte mit einer US-
Firma geknüpft: Schon im Sommer 1948 tauchte James Conk-
ling, Vice President der 1942 in Hollywood gegründeten C
APITOL
R
ECORDS
, bei T
ELEFUNKEN
in Berlin auf, um einen Matrizentausch
und Vertriebsvertrag zu besiegeln.
Für die westdeutsche Musikindustrie war das eine tiefgrei-
fende Zäsur. Mit der Währungsreform wurde das in Zonen auf-
geteilte Land als Absatzgebiet wieder interessant. Zwei Jahre
später fuhr bei der D
EUTSCHEN
G
RAMMOPHON
in Hannover Dave
Kapp, Vice President der amerikanischen D
ECCA
, vor. Er wollte
dort die Vorkriegsbeziehung mit seinem B
RUNSWICK
-Label wieder
aufleben lassen. Und 1950 handelten Sir Edward Lewis und Mau-
rice Rosengarten von der englischen D
ECCA
einen Vertrag mit
Hans Lieber von T
ELEFUNKEN
aus, der zur Gründung der T
ELDEC
in
Hamburg führte. Es war die erste Gesellschaft in der Britischen
Besatzungszone überhaupt, der eine englische und damit aus-
ländische Beteiligung gestattet wurde.
10
(
LINKS
) D
ECCA
-Chef Sir Edward Lewis mit Ehefrau Margaret bei einem Empfang.