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E i n l e i t u n g

Wie sinnvoll ist es, sich mit Schallplatten-Labels zu beschäf-

tigen? Die Frage drängt sich auf in einer Zeit, in der die Musik

aus dem iPod kommt und es keinen Konsumenten mehr interes-

siert, wer die Datei hergestellt und ins Netz gestellt hat. Labels

sind Geschichte, stammen aus der Zeit von Schellack und Vinyl.

Gerade das macht sie allerdings zum reizvollen Gegenstand für

die Pop-Recherche. Mit den Etiketten (und den ebenfalls als

Label bezeichneten Firmen, die dahinter stehen) verbinden nicht

nur Sammler eine versunkene Welt, die es zu bewahren gilt.

Labels hatten seit Beginn der Schallplattenproduktion die Funk-

tion, in dem unübersichtlichen kulturellen Angebot Orientie-

rung zu bieten. Das bedeutete aber mehr als nur den Hinweis

auf ein technisch hochwertiges Produkt, Labels signalisierten

von Anfang an auch die Qualität der künstlerischen Leistung.

Die Firma T

ELEFUNKENPLATTE

brachte das vor dem Zweiten Welt-

krieg in einer Anzeige für ihre Schellacks so zum Ausdruck:

"Das

Auge erkennt sie, das Ohr vergißt sie nicht."

Mit anderen Worten:

Schallplattenkäufer, die eine Platte mit dem Label der T

ELEFUNKEN

oder auch der D

EUTSCHEN

G

RAMMOPHON

erstanden, wußten, was

sie von den Dirigenten oder Orchestern erwarten konnten. Und

wer in den 50er Jahren zum Beispiel eine Single mit dem oran-

gefarbenen Etikett der P

OLYDOR

in der Hand hielt, verließ sich au-

tomatisch auf den damaligen Standard der deutschen

Schlagerproduktion.

Anfangs war das Angebot ja noch überschaubar. In einer

ständig wachsenden Musikindustrie der Nachkriegszeit wurde

die Eingrenzung von Stilen oder die Zuordnung von Labels zum

Zeitgeschmack dann aber immer beliebiger. Ausnahmen stellen

da Labels dar, deren Repertoire schon von der Definition her fest

umrissen war. Beispiele: T

OP

R

ANK

oder LONDON R

ECORDS

aus

England. Hier soll es um das LONDON-Label gehen, das ab 1954

durch die Vereinigung der englischen D

ECCA

mit der deutschen

T

ELEFUNKENPLATTE

zur T

ELDEC

(1950) auch in der Bundesrepublik

vertrieben wurde. Es war (bis auf wenige zeitlich begrenzte Aus-

nahmen) amerikanischer Pop-Musik vorbehalten. Das ver-

schaffte ihm eine Alleinstellung unter der Vielfalt deutscher

Schallplattenlabels. Für die Hamburger T

ELDEC

, deren Vorläufer

T

ELEFUNKENPLATTE

noch zehn Jahre zuvor in Berlin das Horst-

Wessel-Lied mit martialisch dreinblickenden Soldaten auf der

Schellack-Hülle unters Volk gebracht hatte, wirkte LONDON

R

ECORDS

zunächst jedoch wie von einem anderen Stern. Was da

über England aus den USA nach Deutschland kam, klang so

Das alte Firmengebäude der T

ELDEC

am Hamburger Heußweg.