Wer war/ist Xmal Deutschland ? - CDs, Vinyl LPs, DVD und mehr

Xmal Deutschland

Anja Huwe (voc)
Manuela Rickers (g)
Fiona Sangster (key)
Wolfgang Ellerbrock (b)
Caro May (dr)

Die 1980 in Hamburg gegründete Band Xmal Deutschland begann als reine Frauenband. Das Quintett konnte sich gleich von Beginn an eine gewisse Popularität erspielen, avancierte zu Lieblingen der alternativen Musikpresse und wurde später in Wave- und Gothic-Kreisen sehr erfolgreich. Mit dazu beigetragen hatte der spezielle Gesangsstil von Anja Huwe und der gewaltige und brachiale Sound der produzierten Gitarren- und Synthesizer-Wände. Xmal Deutschland standen in der An- fangsphase für die dunkle Seite der Punk- und New Wave-Musik in Deutschland. "Obsessionen, Wut und Resignation be- herrschten ihre Musik und machten aus der Band eine Art deutsches Pendant zu den frühen Siouxsie And The Banshees" (Unruhr.de). "Wir waren sehr kompromißlos. Auf Fotos stellte man sich nicht in den Fokus, trat immer als Band auf, als Gesamtkonzept" (Anja Huwe). Benannt hatte sich die Gruppe nach dem Buch 'Xmal Deutschland' (1961) des deutschen Politik- und Kultur-Journalisten Rudolf Walter Leonhardt – einer sozialpolitischen Abhandlung über das Deutschland der 50er.

Zur Erstbesetzung gehörten Sängerin Huwe, Keyboarderin Sangster, Gitarristin Rickers, Schlagzeugerin May und Bassistin Rita Simon. Der Vater von Sangster war Schotte, der auf Jamaica eine Likörfabrik betrieb. Sängerin Huwe arbeitete vorher im Plattenladen Rip Off (Motto: "Keine Mark der Plattenindustrie") und hatte begonnen, in Hamburg Kunst zu studieren. Nach ersten Konzerten im Vorprogramm von Palais Schaumburg und The Wirtschaftswunder, die immerhin einiges Aufsehen erregten, verließ Bassistin Simon die Band und wurde durch Ellerbrock ersetzt. Gigs vor einem größeren Publikum brachten den fünf Mitgliedern von Anfang an große Anerkennung und die Aufmerksamkeit des Indie-Impresarios Alfred Hilsberg ein, der im März 1981 auf seinem ZICKZACK-Label die Debütsingle Schwarze Welt / Die Wolken / Großstadtindianer veröf- fentlichte. Die gleichzeitige Veröffentlichung auch in England bescherte der Hamburger Band dort mit dieser "am wildesten klingenden Single des Jahres, hart, aber melodisch, äußerst interessant" ('Zig Zag') sofort Kultstatus. Nach einer gemeinsamen Herbst-Tournee mit D.A.F. 1982 erschien bei ZICKZACK die zweite Single Incubus Succubus, die von Frank Z (Abwärts) gemischt worden war.

Zwar waren die Reaktionen auf Xmal Deutschland in Deutschland etwas verhalten, aber im europäischen Ausland dafür umso enthusiastischer. In den Niederlanden strahlte ein Radiosender eine Liveshow der Band aus und in England lud Kult-Radio-DJ John Peel das Quintett zu einer ersten von insgesamt vier Peel-Sessions zur 80| BBC ein. Kurz darauf verließ Schlagzeugerin May die Band und wurde durch Manuela Zwingmann ersetzt. Durch ein Demo- Band gelangten sie zum englischen Kultlabel 4 AD, das sich mit Veröffentlichungen von Bauhaus, This Mortal Coil, Modern English, Cocteau Twins, u.v.a. einen legendären Namen gemacht hatte. Nach der Fertigstellung von 'Fetisch' in England (unter der Regie von 4 AD-Chef Ivo Watts-Russell und dem MUTE- und 4 AD-Hausproduzenten John Fryer) traten sie im No- vember gemeinsam mit den Cocteau Twins auf und beeindruckten das englische Publikum mit ihrer Härte und Energie. "Wenn du dir wünschst, auf eine Musik zu stoßen, die menschliche Emotionen berührt und sich mit ihnen beschäftigt, Musik, die kraftvoll ist ohne brutal zu wirken, Musik die begeistern kann; wenn du Geheimnisse und Rätsel statt Geschichte und Vergangenheit suchst, ist für dich 'Fetisch' gemacht" ('New Musical Express').

In England bekam das Album weitere euphorische Kritiken, denn die "Vitalität aus den Wurzeln des Punks bei gleichzeitiger Erweiterung des musikalischen Horizonts, des Idioms, begeisterte die Briten" ('Rock in Deutschland'). Daß die Texte fast ausschließlich in Deutsch waren, störte dort niemanden, weil Sängerin Huwe ihren Gesang wie ein Instrument einsetzte. "Für die waren wir Exoten. Die haben uns ge- sehen und fanden uns interessant. Wir paßten dann in so ein Schema. Wir kamen zur rechten Zeit am rechten Ort zusammen – ganz einfach. Die haben uns sehr geliebt" (Anja Huwe). Nach einer weiteren erfolgreichen Eng- land-Tournee wurde eine Neuaufnahme von Incubus Succubus mit dem Zusatz "II" veröffentlicht. Der Song war mit einem harten Tanz-Beat unterlegt und in seiner Schärfe absolut auf den Punkt gebracht. Danach verließ Schlagzeugerin Zwing- mann die Band, und die neuen Aufnah- men für das nächste Album entstanden mit Peter Bellendir (dr, ex-Geisterfahrer- Umfeld). Im Juni 1984 veröffentlichte |81 das "deutsche Wunder" ('Libération') bei 4 AD das neue Album 'Tocsin'.

Es dominierten mystische Keyboardgeflechte, treibende Drums, dominante Baßläufe und Gitarrenriffs voller sägender Schärfe. Nach 3 Jahren Zusammenarbeit mit 4 AD gründete die Band mit EXile (später Xile) ein eigenes Label und brachte die 85er EP 'Sequenz'heraus. Die nächsten Veröf- fentlichungen – die Single Matador und das dazugehörige Album 'Diva' – schaff- ten es in die Pop-Charts, aber trotzdem brach die Band 1988 auseinander. Sängerin Huwe und Bassist Ellerbrock wagten mit 'Devils' im Frühjahr 1989 einen letzten Versuch als Xmal Deutschland. Da das Album, auf dem "klassische, warme Melodien dominierten, die von Gitarren auf Tempo gebracht wurden" ('Stern'), floppte, löste sich die Gruppe endgültig auf. "Als sich die Band auflöste, hatte ich noch einen Vertrag mit Chapell Music, demselben Verleger wie Björk, die sich zur gleichen Zeit von ihrer Band Sugarcubes getrennt hatte, um ihre Solokarriere zu starten. Mein Verlag erwartete gleiches von mir. Ich wollte diesen Weg aber nicht gehen.

Der Preis für so eine Solo-Karriere war mir zu hoch" (Anja Huwe). Huwe war stattdessen in den 90ern als Produzentin und Redakteurin beim Mu- siksender Viva für die Sendung 'Housefrau TV' zuständig und lebt mittlerweile als freie Künstlerin in Hamburg und New York, wo auch ihre erste Ausstellung im März/April 2005 unter dem Titel "Xmal" stattfand. Schlagzeugerin Zwingmann 82| tauchte später als Manuela Zwingmann-Wood bei der englischen Band All About Eve auf. Gitarristin Rickers gründete gemeinsam mit Andy Giorbino (g), Marco van Basten (b, beide ex-Geisterfahrer) und Schlagzeuger Bellendir die kurz- lebige Gruppe Whiteouts. Bellendir starb am 3. Februar 2013 an den "unabsehbaren Folgen einer Organtransplantation" (Xmal Deutschland-Traueranzeige) im Alter von 57 Jahren...

Burghard Rausch 

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