KRAUT! - Die innovativen Jahre des Krautrock
KRAUT! ist ein feiner Krautrock-Querschnitt in vier Ausgaben, nach Regionen sortiert – Norden, Mitte, Süden und Berlin, mit den größten Hits, viel längst vergessener Musik und den wichtigsten Songs.
Ende der 60er entwickelte sich in der Bundesrepublik Deutschland ein eigenwilliger und sehr eigener Soundtrack zum zeitgleich stattfindenden gesellschaftlichen Umbruch. Ein großer Teil der jungen Generation begehrte damals gegen das Bürgertum, gegen die bestimmende Meinungshoheit der Springer-Presse, gegen die Voreingenommenheit der Medien, gegen den Muff unter den Talaren und gegen die generelle US-amerikanische Vormundschaft auf. Mit der Abnabelung von der Republik der Eltern, aber auch der Ablehnung des realexistierenden Sozialismus der DDR, ging zusätzlich ein Widerstand gegen die bestehenden kulturellen Werte einher. Angetrieben von der Idee, mit bohrender Neugier und naiver Offenheit einen neuen Weg zu einer deutschen Identität in der modernen Pop- kultur zu finden, gingen bundesweit Musiker auf die Suche nach einem unbedingt eigenen Soundtrack.
Die sozialen und musikalischen Wurzeln des Krautrock liegen in der Zeit der Studentenrevolte Mitte der 1960er. Weltweit entstanden mit dem Aufkommen von Psychedelic Rock, Hardrock und Progressive Rock neue spezielle Formen der Rockmusik – auch Klangvisionäre wie Karlheinz Stockhausen hatten einen großen Einfluß. Dabei gab es durchaus Überschneidungen mit britischen Progrock-Bands. Allerdings war der kreative Ansatz der Krautrock-Bands, die sich sowohl von internationalen Vorbildern, als auch von festen Schemata des Musikmachens freimachen wollten, ein völlig anderer. Generell war es ein progressiver Grundgedanke, der sich in stark strukturierten und frei improvisierten Formen äußerte.
Der Begriff des 'Krautrocks' war aber auch ein Synonym für Rockmusik aus Deutschland, die sich mit der bloßen Imitation von Rock 'n' Roll- oder Beat-Vorbildern aus dem englischsprachigen Raum nicht zufrie- dengeben wollte. Lange Zeit war 'Krautrock' eher nur ein Sammelbegriff und ein geringschätzig gebrauchter Ausdruck für alles, was teutonisch, also hölzern und sperrig, vor sich hin stampfte. Die englische Musikpresse wollte sich damit auch über das wachsende Selbstbewußtsein deutscher Rockbands lustig machen. 'Krautrock' stand für teutonische Akribie, Schwerfälligkeit, Pathos und Rhythmuskrampf bei den damaligen deutschen Bands. Niemand hatte wirklich eine genaue Definition, aber alle wußten, was gemeint ist, wenn davon die Rede war – alles Deutsche war Kraut!
Mitte der 70er endet der Krautrock-Boom genauso plötzlich wie er begann und es dauerte über zwei Jahrzehnte, bis man sich der damaligen Qualitäten erinnerte. Denn seit sich viele Techno-Musiker in der zweiten Hälfte der 90er auf die Experimentierlust der Krautrocker beriefen, erlebte der Krautrock eine Renaissance. Genährt wurde das Revival von diversen Wiederveröffentlichungen alter Platten.
Burghard Rausch, Jahrgang 1947, geboren in Berlin: DJ, Rund- funkmoderator, -autor und Musikjournalist – u.a. für RIAS-Berlin, Radio Bremen und ByteFM – Vinyl-Sammler und Schlagzeuger (Agitation Free, Bel Ami), Co-Autor von 'Stationen – Die Trends der Rock-Epoche Mitte der 80er' (mit Joachim Deicke), Co-Autor des 'Rockmusik- Lexikons' (mit Christian Graf), Herausgeber, Compiler, Biograf und Autor der vierteiligen CD-Serie 'NDW – Aus grauer Städte Mauern'
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