Wer war/ist Bluegrass ? - CDs, Vinyl LPs, DVD und mehr
Bluegrass - Seit Earl Scruggs mit seinen flinken Banjoläufen die Atmosphäre in dem Gangster-Film Bonnie And Clyde mit zu verdichten verhalf, scheint man in keiner Reportage über die Vereinigten Staaten auf die Bluegrass Music mehr verzichten zu können. Gleichgültig, ob zur Skyline von New York City oder zur Silhouette eines einsamen Cowboys, immer regt man mit Bluegrass die Fantasie des Zuschauers an, weckt Assoziationen an weites Land, Freiheit und Abenteuer. Bluegrass, so kann man in einem Musiklexikon nachlesen, sei eine altertümliche Interpretationsweise der Hillbilly und Country Music. Stil und Begriff seien in den 30er Jahren von Bill Monroe und seinen Bluegrass Boys aus Kentucky überregional bekannt gemacht worden. Nun, an dieser Definition stimmt eigentlich fast nichts. Tatsache ist, dass Mitte der 40er Jahre ein gewisser Bill Monroe mit seiner Band, den Bluegrass Boys, eine Musik zu spielen begann, die zwar auf der Stringband-Tradition der 20er und 30er Jahre aufbaute, sich aber doch in ein paar wesentlichen Punkten von der alten, traditionellen Musik, wie sie vornehmlich im Südosten der USA gepflegt wurde, unterschied. War in der alten Musik, man spricht dabei auch gerne von der ,Old-Time-Music, die Fiedel das bevorzugte Melodieinstrument und Gitarre und Banjo vor allem für die rhythmische Untermalung zuständig, so ging man in der Bluegrass Music wesentlich demokratischer vor. Jedes Instrument konnte und musste auch als Melodieführungsinstrument eingesetzt werden, ja, der einzelne Musiker musste in der Lage sein, über das vorgegebene Thema jazzmäßig zu improvisieren- auch der Bass machte da keine Ausnahme. Doch beginnen wir chronologisch. Der Mandolinenspieler und Sänger Bill Monroe, der zusammen mit seinem Bruder Charlie als The Monroe Brothers 1936 seine Schallplattenkarriere begonnen hatte, löste zwei Jahre später diese Verbindung wieder und gründete eine eigene Band, die er unter Bezug auf seine Heimat, den ,Blaugras-Staat Kentucky, die ,Bluegrass Boys nannte. 1940 erfolgten bereits die ersten Schallplattenaufnahmen der Bluegrass Boys bei RCA, Aufnahmen, die sich stilistisch noch nicht wesentlich von der alten Stringbandmusik unterschieden. Monroe sang mit hoher, scharfer Falsettstimme und spielte Mandoline, Clyde Moody zupfte die Gitarre, Tommy Magness bediente die Fiedel, und Bill Westbrook stand am Bass. Ein Banjo war noch nicht besetzt. Als Monroe gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, am 13. Februar 1945, mit seinen Bluegrass Boys dann wieder in ein Aufnahmestudio zog, da hatte er die Band um zwei Musiker verstärkt. Zu Mandoline, Gitarre, Fiedel und Bass gesellte sich nun noch ein Banjo, gespielt im traditionellen Zwei-Finger-Stil von Dave Akeman (später bekannt geworden als Stringbean)- und, man höre und staune, eine Akkordeon spielende Dame namens Wilene Forrester gehörte nun zu den Bluegrass Boys. Diese Formation spielte mit jazzmäßigem Drive, und vom später so typischen Bluegrass Sound war noch wenig zu spüren. Monroe hat später nie mehr so jazzmäßig gespielt wie in dieser Zeit. Erst als Bill Monroe am 16. September 1946 wieder die Castle Studios in Nashville belegte, um weitere acht Titel aufzunehmen, hatte er jene Besetzung, die später als die Standardbesetzung jeder Bluegrass Band zu gelten hatte: Mandoline, Gitarre, Fiedel, Bass und das von Earl Scruggs im Drei-Finger-Stil gespielte Banjo. Die Einbeziehung eines dritten Fingers in die Spieltechnik erlaubte auf dem Banjo ein sehr schnelles, rasantes und vor allem Synkopen reiches Spiel, eine Technik, die Scruggs von dem Banjospieler Snuffy Jenkins gelernt haben soll und die von nun an sozusagen zum Markenzeichen der Bluegrass Music wurde. Bill Monroe And His Bluegrass Boys, so wurde die Monroe Band mit ihrem neuen Sound von unzähligen Discjockeys über alle ländlichen Radiostationen des Süd-Ostens angesagt. Die Discjockeys waren es schließlich auch, die diesem neuen Stil den endgültigen Namen gaben. In Anlehnung an Monroes Bluegrass Boys nannten sie die neue Musik, diesen neuen Sound, ,Bluegrass Music. Ein neuer Stil der Country Music war geboren. Die traditionelle Fiedel hatte ihre dominierende Stellung als Melodieinstrument verloren. Die Solo-Parts, immer noch jazzmäßig improvisiert, übernahmen von nun an abwechselnd Banjo, Mandoline, Gitarre und Fiedel, während die restlichen Instrumente untermalend im Hintergrund blieben oder zusammen mit dem Stringbass die rhythmische Grundlage unterstützten. Die Instrumente sind auch heute grundsätzlich unverstärkt, man macht, wie es ein Musiker einmal ausdrückte, ,Naturmusik. Und, so betonte es einmal der strenge Bill Monroe, Bluegrass muss mit hartem Drive gespielt und mit hoher, scharfer Falsettstimme gesungen werden. Die Beliebtheit von Monroes Bluegrass Music breitete sich in den ländlichen Regionen des Südostens rasch aus. Vor allem Earl Scruggs` 3-Finger-Technik wurde schnell von vielen anderen Banjozupfern kopiert, und Bill Monroe bekam schneller, als er befürchtet hatte, Konkurrenz. Als seine Firma, Columbia Records, eine weitere Bluegrass Band unter Vertrag nahm, da verließ Monroe im Zorn das Unternehmen und ging zu Decca, der heutigen MCA. Seine beiden wichtigsten Stützen der ersten Stunde, der Gitarrist Lester Flatt und der Banjospieler Earl Scruggs, hatten Monroe schon vor diesem Firmenwechsel verlassen und ihre eigene Band gegründet, die Foggy Mountain Boys, die schon sehr bald dem ,Vater der Bluegrass Music, wie man Monroe heute gerne nennt, die Show stahlen. Neue Bluegrass Bands schossen damals, Ende der 40er und Anfang der 50erJahre, wie Pilze aus dem Boden, und oft waren die neuen Bandleader durch die klassische, harte Schule der Bill-Monroe-Formation gegangen, so zum Beispiel der Banjospieler Don Reno, der durch einen eigenartigen Stil auffiel, einer Mischung aus Scruggsschem 3-Finger- und jazzigem Ragtime-Stil in der Manier von Fred van Eps. Die wichtigsten Bluegrass-Formationen der ersten Generation hießen: Bill Monroe And The Bluegrass Boys, Lester Flatt And Earl Scruggs And The Foggy Mountain Boys, Don Reno And Red Smiley And The Tennessee Cut-Ups, The Stanley Brothers And The Clinch Mountain Boys, Jim And Jesse And The Virginia Boys, Bill Clifton And The Dixie Mountain Boys und die Osborne Brothers. Doch während die meisten dieser klassischen Gruppen, allen voran Bill Monroe selbst, dem ursprünglichen Bluegrass Sound die Treue hielten, zumindest in den 50er und frühen 60er Jahren, laborierten ein paar wenige schon in den 50ern mit neuen Klangbildern. Lester Flatt und Earl Scruggs hatten plötzlich mit Josh Graves (Uncle Josh) eine Dobro-Gitarre besetzt, mit einem Klang, welcher der Bluegrass Music viel von ihrer gewohnten Härte und Schärfe nahm- die Osborne Brothers zogen sogar eine elektrisch verstärkte Steel-Guitar und ein Schlagzeug hinzu. Dennoch hat sich die Bluegrass Music ihren urwüchsigen Klang ohne elektrisch verstärkte Instrumente bis auf den heutigen Tag bewahrt. Dobro und Schlagzeug sind zwar selbstverständlich geworden, was der Musik auch gar nicht so abträglich zu sein scheint, doch die Steel-Guitar blieb weiter- hin ein Ausnahmefall. Mit der Folk-Music-Welle der 60er Jahre begann sich dann eine neue, jüngere Generation für die Bluegrass Music zu interessieren. Besonders die Studenten in und um Washington D. C. hatten ein offenes Ohr für alles Echte und Unverfälschte, und Bluegrass wurde zum Dauerbrenner in den Studentenclubs. Noch heute ist das Red Fox Inn in Bethesda in der Nähe von Washington das Mekka aller Bluegrass-Fans, und ein von der Universität von Washington unterstützer- Sender spielt jeden Samstagmorgen viele Stunden lang nichts als Bluegrass- sogar die alten, heute schon recht kratzigen Reno-&--Smiley-Platten werden dort, mit viel fachmännischen Kommentaren gewürzt, gespielt. Die wichtigsten Bands des frühen Washingtoner Zirkels: Die Country Gentlemen, die fast immer ohne Fiedel arbeiteten und die das Repertoire der Bluegrass Music mit Hilfe von populären Hits und Protestsongs erweiterten, dann die Gruppe Seldom Scene und eine Zeitlang auch The II. Generation. Und mit diesen jüngeren Bands wurden auch die scharfen Falsettstimmen der ersten Generation immer seltener, und neue, bisher nie gehörte Harmonien wurden verwendet- um sich vom alten zu unterscheiden, wurden neue Namen geprägt wie Sweet Grass oder New Grass, doch die Urwüchsigkeit blieb trotz aller Entwicklung bis heute erhalten. Mit den Dillards, einer der progressivsten Bluegrass Bands, drang dann auch ein Hauch von Country-Realismus in den großstädtischen Rock der 60er Jahre ein. Durch die Dillards, Doug und Rodney Dillard, wurden zahlreiche Bands wie die Byrds, die Flying Burrito Brothers, Poco oder später die Eagles zur Verbindung ihrer Rock-Rhythmen mit Bluegrass-Klängen angeregt. Inzwischen hat die Bluegrass Music längst ihren Siegeszug um die ganze Welt angetreten. In österreich waren es die Bluegrass Specials- in Deutschland sorgt Sacred Sounds Of Grass für die Verbreitung von Bill Monroes Kreation- in Frankreich sind es die Musiker um den Mandolinen-Spieler Mick Larie- in Holland die Gruppe Groundspeed, in der Schweiz die Country Ramblers und im fernen Japan, wo die Begeisterung für Bluegrass Music besonders hohe Wellen schlägt, kümmerte sich die Gruppe Bluegrass 45 um die musikalischen Wünsche der zahlreichen Fans. Selbst Bill Monroe hat inzwischen eingesehen, dass sich auch die Bluegrass Music weiterentwickeln muss, will sie in unserer schnelllebigen Zeit nicht in Vergessenheit geraten. Und die Entwicklung hat ihr gutgetan, sie ist bunter im Klang und vielfältiger im Ausdruck geworden und hat dennoch nie ihre Basis verloren, nicht zuletzt dank der Abstinenz der großen Schallplattenfirmen, denen die Bluegrass Music nur immer kurzzeitig finanziell interessant erschien. Dadurch blieben die Musiker unter sich, und die kleineren Firmen, die recht gut von Bluegrass leben und hoffen, dass die großen nicht eines Tages auch wieder mitmischen, lassen den Musikern ihre Freiheit zur Selbstverwirklichung unter dem Motto zuerst die Kunst und dann erst das Geschäft. Musiker wie David Grisman, Tony Rice und Ricky Skaggs sowie die Gruppen Seldom Scene und New Grass Revival sorgen auch in den 80er Jahren dafür, die Entwicklung der Bluegrass Music voranzutreiben.
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