Wer war/ist Crazy Otto ? - CDs, Vinyl LPs, DVD und mehr
CRAZY OTTO The Medleys
(Die beschwipste Drahtkommode)
Fritz Schulz-Reichel
* 4. 7. 1912
+ 14. 2. 1990
Als Fritz zum 'Schrägen Otto' wurde...
...das war übrigens im Jahr 1953, erhielt der brillante Swing-Pianist Fritz Schulz-Reichel eine neue künstlerische (und kommerzielle) Identität. Er wurde zum Mann an der 'beschwipsten Drahtkommode', der bald als musikalischer Markenartikel ein begeistert aufgenommener internationaler Erfolg wurde. Seine Weltkarte der Plattenverkäufe und damit seiner Popularität kannte nur wenige weiße Flecken, und wo aus politischen Gründen seine Platten nicht vertrieben werden konnten, verbreiteten Radiowellen die fröhliche Musik des 'Schrägen Otto' oder 'Crazy Otto'.
Mit einem leicht verstimmten Klavier konnte er die beste Stimmung bei seinen Hörern garantieren. Es gab ausgedehnte Tourneen nach Amerika, Australien, Südafrika, ganz zu schweigen von den Auftritten in den europäischen Nachbarländern. Und so hatte die Fluggesellschaft PAN AM nach ihrem berühmten Gast (und guten Kunden) einen ihrer Boeing-Clipper 727 auf den Namen 'Schräger Otto' getauft.
Die Rundfunk- und Fernsehanstalten stritten sich um die Auftrittstermine des immer freundlichen Musikers, mit dem man so unkompliziert wie mit kaum einem anderen Star arbeiten konnte und immer gute Einschaltquoten erreichte. Fritz Schulz-Reichel war zudem ein überaus einfallsreicher Komponist, der Evergreens geschrieben hat wie Wenn ich dich seh', dann fange ich zu träumen an, Im Café de la Paix, Banjo-Benny, Denk an mich oder Am Samstag um Vier, ein Lied, das in der Aufnahme mit Rita Paul, Bully Buhlan und Werner Müller mit seinem RIAS-Tanzorchester ein Riesenerfolg wurde.
In den Musikfilmen der Nachkriegsjahrzehnte, die vom Verleih so mitreißende Titel bekamen wie 'Schwarze Nylons - Heiße Nächte', 'Keine Angst vor Schwiegermüttern' oder sogar mit eigenem Endreim 'Jetzt ist er da aus USA', waren seine Melodien zu hören. Das Fernsehen bestellte für seine Serien Kompositionen; zum Beispiel für die damaligen Erfolge 'Drüben bei Lehmanns', 'Hokus, Pokus, Musikus', den Kabel-Millowitsch-Erfolg 'Hei-Wi-Tip Top' oder 'Otto der Klavierstimmer'- eine Serie, die Schulz-Reichel in der Titelfigur des 'Otto' auch als liebenswerten Schauspieler präsentierte. All diese Showerfolge hatten sich seine Eltern im beschaulichen Meinigen am 4. Juli 1912 natürlich nicht träumen lassen, als der Stammhalter geboren wurde.
Musik ja, aber dann im Orchester oder als Solist in einem Konzertsaal. Der glückliche Papa war nämlich angesehener Konzertmeister des Meininger Hoforchesters unter dem damaligen Orchesterchef Max Reger. Patenonkel des kleinen Fritz war der bedeutende Dirigent Fritz Busch. Abgesehen davon, dass man sich damals unter einer 'beschwipsten Drahtkommode' nichts vorstellen konnte, wäre eine Erscheinung wie der 'Crazy Otto' gewiss nicht im Sinne der ganz der klassischen Musik verpflichteten Familie gewesen. Das bedeutete also eine ordentliche Schulbildung bis zum Abitur (1931) und daneben - Musikunterricht. Als der junge Fritz nach Berlin kam, erhielt er 1934 sein erstes festes Engagement zwar tatsächlich in einem Orchester, allerdings spielte es angejazzte Tanzmusik im 'Mokka Efti' in der Friedrich-, Ecke Leipziger Straße. Der Orchesterchef war James Kok und bei ihm gespielt zu haben, war eine todsichere Empfehlung. Und so kamen dann die Verpflichtungen - als Pianist in bekannten Berliner Bars wie 'Ciro', 'Sherbini' oder 'Patria'. Im 'Quartier Latin' gründete er mit dem Trompeter Kurt Hohenberger das swingende Solistenorchester, das heute noch bei Plattensammlern einen guten Ruf hat.
Schließlich hatten ihm die Kritiker und Swingfreunde seinen Ehrentitel gegeben: Fritz Schulz-Reichel - der deutsche Teddy Wilson. Er spielte in der 'Goldenen 7', einem sehr populären Schallplattenensemble, machte Aufnahmen mit Willy Berking, Rudi Schuricke, Michael Jary, Theo Mackeben, Franz Grothe, Peter Igelhoff, und Rosita Serrano.
In den Kriegsjahren spielte er mit Otto Stenzel und dem Orchester des Berliner Varietés Scala und mit dem Swing-Kapellmeister Heinz Wehner bei der Deutschen Sendung, die aus Oslo für Soldaten übertragen wurde. Im März 1943 musste er den Platz vor dem Mikrophon mit dem eines einfachen Radiohörers tauschen: er erhielt seine Einberufung. Ein Jahr später wurde er an der Ostfront durch Granatsplitter in der rechten Hand verwundet, es gelang jedoch den Ärzten, seine Spielfähigkeit zu erhalten. Nach dem Kriegsende konnte Schulz-Reichel bereits im Juli 1945 in Berlin wieder in seinen Beruf einsteigen. Allerdings war vieles, den Zeitumständen entsprechend, sehr improvisiert. Bunte Abende mit Musik wurden in Schulaulen und Sitzungssälen der erhalten gebliebenen Rathäuser veranstaltet. Beliebt waren in diesen Zeiten auch Matineen in Kinoräumen. Und es gab das unzerstörte Funkhaus in der Masurenallee. Hier spielte er bei dem RBT- Orchester (Radio Berlin Tanzorchester) unter Michael Jary, dem ersten Dirigenten und mit den Stars jener Jahre: Marika Rökk, Lale Andersen, Rita Paul, Gitta Lind, Rudi Schuricke, Fred Bertelmann, Vico Torriani, Gerhard Wendland, Bruce Low oder Helmut Zacharias, um nur wenige zu nennen. Alles hätte so weitergehen können, wenn es nicht 1953 eine Aufnahme im Musikstudio des RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor) gegeben hätte. Schulz-Reichel wollte in der Pause nicht mit den anderen in die Kantine gehen. Er blieb im Studio und probierte aus Langeweile die Tasteninstrumente aus, die an den Wänden abgestellt waren. Darunter war auch ein Klavier, das wohl selten eingesetzt und deshalb lange nicht gestimmt worden war. Na, es klang zunächst einmal grässlich, aber dann versuchte Schulz-Reichel, ob man nicht etwas 'zaubern' kann und trotz der nicht ganz präzise definierten Töne etwas Anhörbares zu machen. Er dachte da gewiss an die meistens etwas verstimmten Honky-Tonk-Pianos im alten amerikanischen Westen. Und so begann in dieser Mittagspause der Siegeszug der 'beschwipsten Drahtkommode', denn die Tontechniker nutzten die Pause für Arbeiten in ihrem Regieraum. Durch die Scheiben sahen sie natürlich Fritz Schulz-Reichel an dem ollen Piano, wurden neugierig, zogen ein Mikrophon auf, um zuzuhören - und schnitten schließlich die Improvisationen mit. Und beim gemeinsamen Abhören waren alle der Meinung, dass aus dieser spaßigen Angelegenheit durchaus ein sehr origineller Sound zu basteln war, der sicher beim Publikum ankommen würde. Dass sich dieser Sound schnell zu einem Welterfolg entwickeln würde, ahnte wohl niemand damals im Musikstudio 7 des RIAS. So kam es dann nach seinem vielbejubelten Besuch in Amerika zu Zeitungsschlagzeilen wie "Der schräge Otto begeistert Amerika", "Welterfolg mit seinem verstimmten Klavier", "Disc Jockeys Hail New Star", "In Amerika die Nummer 1" oder "Medley By Crazy Otto Blitzes Record Fancies"... Bei so vielen Auftritten fragt man sich natürlich, woher man auch an den entferntesten Orten ein Klavier bekommt, das so exakt gestimmt und präpariert ist, daß es wie das Original, die 'beschwipste Drahtkommode' auf den Schallplattenaufnahmen klingt? Da hatte der 'Schräge Otto' ein Geheimrezept: eine Schachtel Reißzwecken und ein Stimmschlüssel waren stets in seinem Reisegepäck. Und so brachte er jedem Klavier die Töne bei, an denen man dann den 'Crazy Otto' sofort erkennen konnte.
Auf dieser CD sind alle Medleys aus der Serie 'Die beschwipste Drahtkommode' enthalten. Vielleicht können sie ein Comeback dieser lustigen und mitreißenden Musik in unseren Radioprogrammen auslösen. - Goetz Kronburger.
CRAZY OTTO (F.Schulz-Reichel) Die beschwipste Drahtkommode
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