Wer war/ist Fehlfarben ? - CDs, Vinyl LPs, DVD und mehr
Fehlfarben
Peter Hein (voc)
Thomas Schwebel (g, voc)
Michael Kemner (b)
Frank Fenstermacher (sax)
Uwe Bauer (dr)
Die Düsseldorfer Fehlfarben sind die klassische Neue Deutsche Welle- Band und eine der wenigen deutschen Rockgruppen dieser Zeit mit nachhaltiger Wirkung auf die nationale Musikszene. Fehlfarben gelten als die Nachfolgeband der Punk-Band Mittagspause, die wiederum Nachfolger der Ur-Punk-Gruppe Charley's Girls war. Während eines England-Urlaubs sahen Peter Hein, Uwe Bauer, Thomas Schwebel und Markus Oehlen (dr) den Debüt-Auftritt der englischen Postpunk-Neo-Psyche- delic-Band The Teardrop Explodes in London, ließen sich vom damals dort gras- sierenden TWOTONE-Ska-Fieber anstecken und hatten diese "reine Ulkidee, eine Gruppe zu gründen, die die jeweils neuesten Wellen schneller reiten sollte als die Engländer.
Diese neue Gruppe sollte parallel zu Mittagspause und Materialschlacht inkognito bleiben und mit einer Mod-Single starten" (Pressetext). Während Schwe- bel die New Yorker Disco-Gruppe Chic verehrte, war Hein ein Anhänger der britischen Mod-Band The Jam. Die Gründungsmitglieder waren Hein (ex-Mittagspause), Schwebel (ex-Mittagspause, ex-S.Y.P.H.) und Bauer (ex-Materialschlacht). Danach arbeiteten sie mit Michael Kemner (ex-Y.O.U., ex-D.A.F.) am Fehlfarben-Kozept. Die Besetzung wurde mit Frank Fenstermacher (später Der Plan) komplettiert und gemeinsam wurde im Studio für das selbstfinanzierte Eigenlabel WELT-REKORD die Debüt-Single Abenteuer und Freiheit / Große Liebe-Maxi aufgenommen. Große Liebe war eine Ska-Version des Titels Industriemädchen von Schwebel, der den Song für S.Y.P.H. komponiert hatte. Auch das Cover war Ska-orientiert – ein TWO TONE-inspiriertes Karomuster und ein tanzendes Ska-Männchen. Im Mai traten Der Plan, S.Y.P.H., Fehlfarben und Hans-A-Plast gemeinsam bei den Wiener Festwochen auf, und bei der Zugabe drehte "André Heller persönlich den Strom ab" (Homepage). Nach erfolgreichen Konzerten in Deutschland hatten die Fehlfarben die Single inklusive der Rechte für ganze 3.000 D-Mark an das Majorlabel EMI verkauft.
Diese veröffentlichte die Single neu und finanzierte die Produktion neuer Demos im Studio. In der Szene wurde dieser Handel mit der Industrie, mit der sich die Band aus dem Status einer Undergroundband gelöst hatte, sehr skeptisch gesehen. Die Buletten in der EMI- Künstlerkantine bei Mutter Pesch sollen den Ausschlag für die Unterschrift gegeben haben. Die Band galt, bis alle anderen mehr Geld von anderen Firmen bekommen hatten, wahlweise als "stinkreich" und "arm, weil blöd, weil über'n Tisch gezogen". Im Juni 1980 begannen die Aufnahmen zum Debüt-Album 'Monarchie und Alltag'. Als zusätzliche Synthesizer-Spieler waren noch George Nicolaidis und Kurt 'Pyrolator' Dahlke mit dabei. Das Album entwickelte sich zum wichtigsten Album dieser Zeit und avancierte zu einem Klassiker der deutschen Rockmusik. Der ruhigste – und für manche beste – Song hieß Paul ist tot. Was bei vielen Deutsch-Rock-Bands eher schwülstig und bom- bastisch geriet, entwickelte sich bei den Fehlfarben zu einem atmosphärischen und beklemmenden Stück über einen Mikro- kosmos, der für die Band ein Universum war.
Der Song war von Schwebel nach einem glimpflich überstandenen Autounfall in Wuppertal noch am selben Abend komponiert worden. Der Text nimmt Bezug auf die Legende, daß Paul McCartney 1966 bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen sei und durch einen Doppelgänger ersetzt wurde, bezieht sich aber in Wirklichkeit auf den Flipper im Düsseldorfer Szeneladen Ratinger Hof – wenn man zu zweit in einer Runde spielte und die Kugel ging verloren, hieß es "Paul ist tot". Etliche andere Songs dieses Albums waren Punk-lastig und erinnerten manchmal an Mittagspause, aber Hein wurde "zum besten und wichtigsten Songwriter hierzulande" ('Sounds'). Das Album war "groß- artig – wie die Band" ('New Musical Express'), "die Songs waren ruppig und aufgekratzt, doch gespielt wurde nicht dilet- tantisch" ('Rolling Stone'). Es war ein "vor allem auch textlich reifes Werk" ('MusikExpress'), denn der Gebrauch der deutschen Sprache, die selten so unverkrampft eingesetzt wurde, war wegweisend. Weil die Platte zu kurz ausgefallen war, kam noch der Titel Ein Jahr (es geht voran) als Füller drauf. Es war eine vom Funk-Stil beeinflußte Komposition.
Zu ihrem Leidwesen wurde das – für die Band untypische und von einem adaptierten Chic-Riff unterlegte – Lied von der Öffentlichkeit als ihr wichtigstes Stück wahrgenommen, und es wurde das erfolgreichste. Mit dem eingängigen Refrain: "Keine Atempause, Geschichte wird gemacht. Es geht voran!" wurde der Song zum Hit der Hausbesetzer-, NATO-Nachrüstungsgegner- und Anti- Reagan-Szene – aber auch zum Diskothekenrenner. Die Hausbesetzer identifizierten sich mit diesem Stück, sodaß es häufig als "Hausbesetzerhymne" bezeichnet wurde, was von der Band so nie gewollt war. Allerdings erwies sich der Song bei den 1.-Mai-Krawallen in den deutschen Großstädten als dankbares musikalisches Transportmittel – bis heute. Hein selbst sprach sich in mehreren Gesprächen gegen die Vereinnahmung als "Hausbesetzerband" und/oder Ton-Steine-Scherben-Nachfolger aus – auch weil die Haltung der Fehlfarben zwar zum Teil sozialkritisch, die Intention in Ein Jahr (es geht voran) aber eine ganz andere war. "Eine Kultband, die irgendwelche politischen Bewegungen bedient, sind wir schon gar nicht" (Jahnke). Im Januar 1981 verließ Fenstermacher die Band, um...
Burghard Rausch
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Aus grauer Städte Mauern - Die Neue Deutsche Welle (NDW)
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