Wer war/ist Lerryn ? - CDs, Vinyl LPs, DVD und mehr
Lerryn
"Unter den deutschen Liedermachern ist Lerryn der Hecht im Karpfenteich" (Dieter Hildebrandt)
In seinem Buch 'Liedermacher' erinnert sich Thomas Rothschild an seine erste Begegnung mit Diether Dehm alias Lerryn beim letzten Waldeck-Treffen 1969: "Sein Repertoire bestand im wesentlichen aus zwei Liedern: einer Beatles-Paraphrase mit Mao Tsetung als Refrain und einem zweideutig-witzigen Song über den Frankfurter Polizeipräsidenten. Die Lieder kamen gut an, und Lerryn genoß das. Dieser junge, ein wenig eitle, sehr agile und ehrgeizige Liedermacher war der interessanteste Nachwuchssänger jenes Jahres, und er machte auf seine weitere Entwicklung neugierig." Seitdem sind fast 40 Jahre vergangen. Heute sitzt Diether Dehm für die Linksfraktion im Deutschen Bundestag. Doch das Singen hat er nicht aufgegeben. 2006 erschien die CD 'Adelante con Rosa, Brecht y Che' mit eigenen sowie Liedern von u. a. Bertolt Brecht, Ernst Busch und Pete Seeger. Franz Josef Degenhardt schrieb zu Dehms Jubiläumsalbum: "Diether Dehm also, der 'Lerryn', hat die westdeutsche Linke mitgemacht, handgreiflich und kontemplativ, agitatorisch und als Theoretiker, als Freier und als Funktionär, als Marxist und Sozialist, und er hat sie mit seinen Liedern begleitet als Fahrender und Sesshafter, witzig und ernst, komödiantenhaft und poetisch: eine Mischung, die es in der asketischen, um nicht zu sagen, drögen deutschen Arbeiterbewegung viel zu wenig gegeben hat."
Am 3. April 1950 in Frankfurt/Main geboren, datiert Diether Dehm seine Anfänge als Liedermacher auf das Jahr 1966 zurück. Damals wurde er auch Mitglied der SPD. In den 70er Jahren war er Begründer von 'Rock gegen Rechts' und der städtischen Serie 'Lieder im Park', die danach oft kopiert und übernommen wurde. Wenn er unter seinem Künstlernamen Lerryn nicht selber durch die Republik tingelte, arbeitete er als Musikmanager und schrieb Texte mit und für andere, wie die Bots, Klaus Lage, Anne Haigis, oder textete für die ARD-Satireserie 'Hurra Deutschland', für Kulenkampff, Gottschalk und Jauch. Zu den bekanntesten Titeln gehören 1000 und 1 Nacht (Zoom!), Faust auf Faust, Was wollen wir trinken (Sieben Tage lang), Das weiche Wasser und Monopoli. Gemeinsam mit Udo Lindenberg, Heinz Rudolf Kunze, BAP, Klaus Lage und Dietmar Schönherr war Dehm Vorstandssprecher des 1985 gegründeten Vereins 'Künstler in Aktion'. 1988 schrieb er die neue SPD-Parteihymne, "weil mich Willy Brandt nach einer Friedenskundgebung im Bonner Hofgarten gebeten hat, meinen Bots-Liedtext vom 'Weichen Wasser' für die 125-Jahr-Feier der SPD umzuschreiben. Er wußte ja, daß die Kernzeile, nämlich 'Das weiche Wasser bricht den Stein', von Bert Brecht stammt. Und dann habe ich das gemacht. Aber auch nur auf den Wunsch von Willy Brandt hin – und nur verbunden mit meinem Gegenwunsch an Willy Brandt, daß er dann auf der Schallplatte gemeinsam mit Götz George, Heinz Rudolf Kunze, Albert Mangelsdorff und anderen meinen Text spricht, was er auch tat."
Der SPD gehörte Diether Dehm mehr als 30 Jahre lang an. Dort war er kurzzeitig Bundestagsabgeordneter und Bundesvorsitzender der SPD-Unternehmer. 1996 kamen Vorwürfe auf, er habe bis 1977 als Ostspion gearbeitet, doch in einem innerparteilichen Gerichtsverfahren konnten keine Belege dafür gefunden werden. Den Umgang mit Stasivorwürfen verarbeitete er 2004 im Roman 'Die Seilschaft'. In die PDS trat Dehm 1998 ein, wo er 1999 zum stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt wurde, was er bis 2003 war. Seit 2003 ist Dehm Landesvorsitzender der 'Linken' in Niedersachsen, für die er seit 2005 auch im Bundestag sitzt.
Der Sänger mit den besseren Liedern ist, so Diether Dehm, eine selbstironische Auseinandersetzung mit dem Selbstverständnis der Liedermachermode Anfang der 70er Jahre. In 'Sing In' schrieb er 1973 über seine Texte und das politische Lied: "Ich halte den Begriff nicht für gut. […] Über den Regen zu schreiben, meint Brecht, schließt ein, über wichtige Dinge zu schweigen, und zählt in bestimmten Zeiten zu den politischen Verbrechen. Der deutsche Schlager schweigt sich heute aus und wir dürfen ihm nicht gestatten, sich für unpolitisch zu halten, indem wir nur unsere Lieder für politisch erklären."
Für Stephan Wald, Hans Werner Olm und Ingolf Lück schrieb Dehm in den 80ern Bühnenprogramme, 1995 mit Curtis Stigers, Christopher Cross u. a. für Katarina Witt das US-Fernsehmusical 'Die Eisprinzessin'. Am Berliner Ensemble, dem Theater in Nordhausen, dem Kasseler Staatstheater, der Leipziger Fabrik, dem Neuen Theater Halle usw. liefen seine Musiktheaterstücke 'Stars', 'Milchmädchenreport', 'Befreit!' und 'Deutschland gegen Brecht'. Konstantin Wecker schrieb über Dehms jüngsten Roman 'Bella ciao': "Gramsci fragte, warum die Linke so wenig Abenteuerromane hätte. Dies hier IST ein Abenteuerroman – und ein linker!"
Auszug aus
Various - Liedermacher in Deutschland
Vol.4, Für wen wir singen (3-CD)
/various-liedermacher-in-deutschland-vol.4-fuer-wen-wir-singen-3-cd.html
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