Wer war/ist Peter Rohland & Schobert Schulz ? - CDs, Vinyl LPs, DVD und mehr
Peter Rohland & Schobert Schulz
'Landstreicher' über sich:
Damals, als ich mich durch's Abitur bangte, war die Einrichtung, 'Bundeswehr' geheissen, erst im Heraufdämmern. Es gab also keinen Grund, nach vollbrachter Tat zu den Fahnen zu eilen oder - geeilt zu werden. Ich hatte Zeit. Ein Jahr lang. Und dieses Jahr benutzte ich dazu, durch den Orient zu 'walzen', das heisst zu tippeln, reiten, trampen, schippern, oder auch als 'Blinder' auf Zugdächern herumzuturnen. Einiges Geld hatte ich noch zu Hause zusammengekratzt, anderes suchte ich als Wärter amerikanischer Babys in Ankara, als Fotograf, Kneipenmusikant und Aspirintablettenverteiler während der 'Reise' dazuzuverdienen. Das glückte nicht immer. Ohne die grossartige 'Kameradie der Landstrasse' wäre mir da manchmal nichts anderes übriggeblieben, als beim Herrn Konsul die Fahrkarte heim in die Bundesrepublik zu besorgen.
Hunger und die Gefahr des 'Kittchens' waren beim illegalen Grenzübertritt nach El Kuweil allgegenwärtig, und schliesslich endete diese Episode auch wie befürchtet in einem Wüstenfort inmitten einer Schar zerlumpter, kettengefesselter Vagabunden, Gaukler und sonstiger Missetäter.
Wenn ich heute, in den 'Landstreicherballaden' vom 'Kubub', von 'linken Trittchen' und vom 'Verschüttgehen' singe, dann sind dies Beschwörungen einer 'Reise', die 50 Jahre nach der Hochblüte der alten 'Kunden' und 'Orientkunden' mir eine ihrer Wanderrouten vertraut werden liess.
Einen Teil der Balladentexte verdanke ich Hans Ostwald, der um die Jahrhundertwende die 'Lieder aus dem Rinnstein' sammelte. Andere Lieder fand ich in alten Handwerkerliederbüchern. Von Hamburger Zimmerleuten und Vagabunden in Süddeutschland, die ich insbesondere 'herumwalzend' in Süddeutschland traf, habe ich die restlichen Balladen.
Ein besonderer Gruss ergeht dabei an 'Schwarzwald-Johnny', einem Landstreicher heitersten Gemüts und in den besten Jahren. Die Begegnung mit ihm hat mir gezeigt, dass die Kundentradition doch noch hie und da lebt.
Aus dem Orient zurückgekehrt, begann ich zunächst, man erschrecke nicht, Jura zu studieren, wechselte aber bald über zur Musikwissenschaft und der holden Gesangeskunst. Dabei schlug ich den umgekehrten Weg wie mein Vater ein, der zunächst in Italien Opern sang und später Rechtsanwalt wurde.
In einem Alt-Berliner Weinkeller, trinkfreudigen Gesanges pflegend, wurde ich dann eines Nachts von dem legendären Cabaret-Altmeister Willi Schaeffers aufgestöbert. Zwei Tage später erhielt ich von ihm einen Brief. Er begann mit den für mich Anfänger schmeichelhaften Worten: "Lieber Kollege, ich glaube, Sie müssen unter Menschen ..."
Ich kam unter Menschen. Zunächst in Berliner, dann in Pariser Cabarets. Wer sie noch nicht kennt, dem seien sie empfohlen, die literarischen Cabarets der linken Flusseite, vom 'Contrescarpe' bis zum 'Petit-Pont'. Wie in einem Brennspiegel sammelt sich in ihnen alles, was Paris und die Welt an literarischer Kleinkunst, Chansons und folkloristischen Gesängen zu bieten haben. Selbst die auf dem 'Place de la Contrescarpe' hausenden Clochards werden von der allgemeinen Atmosphäre mitgerissen und improvisieren zur Mundharmonika weinselige Verse. Jeder Chansonnier sollte hier einen Koffer haben.
Dann wieder Berlin. Eine Destillennacht brachte die Begegnung mit Schobert, meinem musikalischen 'Walzbruder'. Damals ahnte er noch nichts von den auf ihn zukommenden 'linken Trittchen'. Er stand an der Theke und spielte inmitten seiner Banjo-, Bass- und Balalaikafreunde eine treffliche Gitarre, eine Gitarre, die Bände redete von Musikalität und - o wie selten allhier - 'Esprit'.
Wie es weiterging? Nun, das möge Schobert Ihnen selbst erzählen!
PETER ROHLAND
Eigentlich sollte ich musikalisch ja was 'Besseres' werden. Nach elf Jahren Klavierunterricht wurde dieser Versuch jedoch erfolglos abgebrochen. Es war nämlich bei mir eine Art Krankheit aufgetreten: So etwas wie eine Instrumentenbesessenheit. Neben der Gitarre, die den ruhenden Pol bildete, spielte ich zeitweise und mit wechselndem Erfolg alle erreichbaren Zupf-, Streich-, Blas- und Schlaginstrumente. Über diese Anfälligkeit und eine gewisse 'Saitenverwandtschaft' gelang es in der zitierten Destillennacht meinem jetzigen Tippel-Bruder mich der Landstrasse zu gewinnen. Er hatte nämlich just für diese Lieder aus dem Nachlass eines Zirkusclowns ein Instrument namens Concertina gekauft. Ich nenne es inzwischen respektlos: Sechskant. Es ist eine winzige Harmonika, sechseckig, gläsernen Klanges und mit 48 auf unergründliche Art angeordneten Knöpfen.
Trotz zeitweiligen Verzweifelns und der Erkenntnis, dass meine Finger noch nie so gross waren wie zu jener Zeit, komme ich inzwischen mit ihm einigermassen zurecht. So konnten aus dem Zusammenspiel von Sechskant, Gitarre, Text und Melodie die Arrangements entstehen. Auf einmal war ich dann, wenn auch nur musikalisch, ein Stromer.
SCHOBERT SCHULZ
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