Wer war/ist Frank Baier ? - CDs, Vinyl LPs, DVD und mehr

Frank Baier

"Er gehört zu den profiliertesten deutschen Liedermachern der zweiten Generation." ('Westfälische Rundschau')

Der 1943 geborene Liedermacher und -sammler Frank Baier wird gern als 'Ruhrgebietsbarde' bezeichnet, beschäftigt er sich doch seit nunmehr über 30 Jahren mit historischen und zeitgenössischen Liedern aus dem Ruhrgebiet. Fast immer sind es literarische wie politische Texte, oft genug mit hochaktueller Brisanz. Seine erste Begegnung mit der Musik machte Frank Baier, als er mit der Christlichen Pfadfinderschaft Anfang der 60er Jahre die Burg Waldeck besuchte. Seine erste musikalische Liebe gehörte dem Skiffle. Seine erste Gruppe – mit Rolf Hucklenbruch und Harald Goldbach – hieß Kattong "…mit kritischen Texten und in gefälligem Sound. Das klingt wie eine Mischung von John Lennon und den City Preachers, das ganze in Deutsch, versteht sich." ('Sing In', 5/1972). 1973 folgte das Duo Baier & Westrupp, teils parallel war Baier mit der Gruppe Walter h.c. Meier Pumpe zu hören. Seit 1976 tritt er solo auf, sieht man von einzelnen Gemeinschaftsprojekten wie mit der Gruppe Grenzgänger ab, mit der er 2005 das preisgekrönte Album 'März 1920' veröffentlichte. Darauf erinnern die Musiker an den blutig niedergeschlagenen deutschen Arbeiteraufstand gegen den rechtsreaktionären Kapp-Putsch.

Daß sich das Ruhrgebiet als Thema wie ein roter Faden durch die Texte von Frank Baier Baier (Opa bei Krupp – Vater bei Krupp) zieht, erklärt sich aus seinem Lebensweg: "Ich bin mit sechs Jahren ins Ruhrgebiet gekommen, aufgewachsen in Essen-Frohnhausen, habe fast nur mit Bergarbeiterkindern gespielt – die Bezüge sind also durch meine Jugend vorgegeben", erklärte der Musiker 1979 im Gespräch mit dem 'Folk-Magazin'. Bevor Baier die Musik zum Hauptberuf machte war er lange Zeit als Ingenieur tätig. Dabei stellte er fest, "was das ausmacht, wenn einer an der Werkbank steht, wie das Rückwirkungen auf sein Familienleben hat. […] Und so ne Erfahrung wirkt sich ja auch auf meine Texte aus, da ist kein intellektuelles Geschwafel mehr drin, das mußte konkret sein."

Im sechswöchigen Stahlstreik von 1978/79 war Frank Baier an vorderster Front dabei, als Musiker nicht nur aus der Region, sondern aus dem ganzen Bundesgebiet und sogar aus dem Ausland – aus Österreich reisten die Schmetterlinge an – Solidarität mit den Metallern übten. Beim letzten großen, unbegrenzten Hungerstreik der Bewohner der Rheinpreußensiedlung vor dem Rathaus in Duisburg, bei dem es um den langfristigen Erhalt der Häuser und die Beendigung der laufenden Privatisierung ging, fand am 12. Februar 1979 auf den Rathaustreppen ein mittleres Kulturspektakel statt. Frank Baier hatte Geburtstag und lud Sänger- und Musikerfreunde, seine Bekannten sowie Stahl- und Streikkollegen mit einem Flugblatt zur Solidarität mit den Hungerstreikenden auf. "Sie kamen von überall her, über 300 Menschen mit Klappstühlen, Teetassen und vor allem ihren Musikinstrumenten – Fasia und Kuro, Ernst Born aus Basel, Jazz-Musiker und die 'Teewurzellöwen' und viele mehr – und die Kokstonne glühte! Na ja, die Stahlstreiker hatten eine Kokstonne vom Werktor mitgebracht und schütteten schon am Mittag eine LKW-Ladung Koks mitten vor den Rathauseingang. Richard Limpert, der Arbeiterdichter aus Gelsenkirchen, brachte als Geschenk einen brandneuen Text mit. 'Hab ich gestern geschrieben. Jetzt seid mal ruhig da hinten, ich lese den jetzt mal vor!' Plötzlich fängt Fasia an zu summen. Fasia summt immer. 'Ey, merkße wat, Frank?' 'Nö!' 'Merkße nich, der Text paßt? Der paßt auf 'Ein Bomben ist gefallen'.' ' Jau, stimmt!' 'Komm, wir singen ma!' Das Lied war geboren. Noch am selben Abend wurde auf die Melodie des Ostermarschliedes von Hannes Stütz das neue Lied 'Rheinpreußen ruft Alarm' auf den Duisburger Rathaustreppen für die Hungerstreikenden mit allen gesungen." Der Hungerstreik wurde nach 18 Tagen und Nächten beendet. Die Siedlung war gerettet, der Abriß und die Privatisierung wurden gestoppt.

Kleiner Nachtrag: Das Lied gibt es auch in Malagasy, der madagassischen Sprache. Die Gruppe Rossy singt es mit einem Text über ein madagassisches Reisbauernkollektiv unweit von Madagaskars Hauptstadt Antananarivo. Mit Baier zusammen singen sie sogar zweisprachig, und seit seiner Tournee in Madagaskar (1983) heißt die Ukulele dort auf der Insel 'Frank Baier'.

Nicht nur im Stahlstreik waren Frank Baiers Lieder zu hören. Auch Kalkar, Friedensbewegung, Berufsverbote und Zensur waren Themen, zu denen er etwas zu sagen hatte. Wie beispielsweise im hier vertretenen Radiothek-Lied. Die Rundfunksendung 'Radiothek' gab es seit 1974: "Mit der konfliktorientierten, kritischen Jugendsendung 'Radiothek' schafft sich der WDR bleibende Erinnerungen bei der damaligen Jugendgeneration." ('50 Jahre WDR', WDR-Website). Die letzte Sendung lief im Dezember 1980. Über ihr unrühmliches Ende findet sich auf der WDR-Homepage keine Eintragung.

"Die 'Radiothek' im WDR Köln, das war unsere Sendung. Unsere? Ja, unsere, denn wir waren mitbeteiligt, wir konnten Einfluß nehmen auf die Themen der Sendungen, hier war ein 'freies Wort' möglich, also live gesendet, das ging direkt raus. Also, will sagen: Wir konnten reden, nicht nur zuhören. Wir kannten mittlerweile die Moderatoren und die Redakteure. Die kamen mit in die Jugendzentren, die Strafanstalten, redeten mit den Fürsorgezöglingen und Trebegängern, den Knackis und Arbeitslosen. In der 'Radiothek' wurden unsere Lieder gesendet oder bei Live-Veranstaltungen mitgeschnitten, z. B. in der Pappschachtel (Gelsenkirchen) oder dem Eschhaus (Duisburg). Wenn die geschlossen oder abgerissen werden sollten, dann war 'Tacheles' angesagt auf dem Sender, da kamen die Probleme direkt vom Mikrophon auf der Straße in den Äther. Plötzlich, ich fahre mit dem Auto abends von der Arbeit nach Hause und stehe gerade eingerammelt im Stau und höre 'Radiothek', und da sagen die an, daß der Wortbeitrag demnächst wegfällt, weil da eine 'Hörfunkstrukturreform' geplant ist. Gegenüber auf der anderen Straßenseite steckt'n Typ mit 'nem VW-Bulli auch fest und hat das Fenster runter, und wir hören denselben Sender. Der sagt: 'Ker, ey, hasse dat gehört? Die spinnen wohl. Oder? Die machen wa abber getz richtig Ärger, die Intendanten da. Die machen wa Feuer unterm Arsch, einfach unsere Sendung kaputt …, oder?' Ja, und schon war das Lied fertig. Der Typ im Auto war die Quelle. So einfach ist das. Die besten Lieder werden auf der Straße geboren, sag ich doch. Das Lied hab ich kurz danach auf dem ersten Protest in Köln vom LKW-Anhänger runter auf dem Opernplatz gesungen, und da war es raus aus dem Rohr."

Das Radiothek-Lied wurde aus der letzten Livesendung am 30.12.1980 in der Stadthalle Köln-Mülheim als unerwünscht gestrichen. Frank Baier durfte sein Lied nicht singen. "Ja, und dann habe ich es eben nicht gesungen, sondern die Gitarre wieder weggelegt und den Text erzählt und natürlich, warum ich das Lied jetzt hier in der Sendung beim 'Live-Mitschnitt' nicht singen darf. Die unten in der Halle fanden das natürlich bärenstark und haben gejohlt. Nur die WDR-Leute nicht. Vorher war ich ja schon in einem Film zensiert worden, da hatten sie Strophen von 'Auf der Schwarzen Liste' rausgeschnitten. Und jetzt stand ich auf dem Index und wurde fast zehn Jahre im WDR nicht mehr gesendet. So was macht man ja auch nicht … Ach ja, und der Uli Lux, der verantwortliche Redakteur, wurde vom WDR erstmal fristlos gefeuert, wegen dieser Sache und wegen Walter Moßmann und den 3 Tornados. Und die anderen sind mittlerweile Programmdirektoren oder so geworden, weil die sich geduckt haben, als die Brocken flogen."

www.frank-baier.de


Auszug aus
Various - Liedermacher in Deutschland
Vol.2, Für wen wir singen (3-CD)
/various-liedermacher-in-deutschland-vol.2-fuer-wen-wir-singen-3-cd.html

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Weitere Informationen zu Frank Baier auf de.Wikipedia.org

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