Die 10-Inches von Bear Family sind so wie die handgemachten Pralinen, die bei manchen Omas auf der Anrichte stehen. Mit Liebe zum Detail kunstvoll zubereitet, sind sie wahre Geschmacksexplosionen, die man bewusst ge-nießt, ohne sich Gedanken darüber zu machen, ob sie einen sinnvollen Beitrag zur ausgewoge-nen Ernährung leisten. Stattdessen befriedigen sie völlig andere Ansprüche und wenden sich an Sinne, die in unserer von beständigen Kosten/Nutzen-Rechnungen bestimmten Gegenwart allmählich verkümmern.
Da ist zu-nächst die Platte von Little Richard, deren Tracklisting bekannte Standards enthält, die man auf hunderten Compilations findet. Hier liegt sie aber als Neu-Edition einer 1962 in Japan erschienenen, inzwischen ultrararen 10-Inch vor, die Bear Family nahezu perfekt reproduziert haben. Das Vinyl ist im Gegensatz zum Original farbig und die Labels enthalten, selbstverständlich grafisch angepasst, den Bear-Family-Schriftzug statt des ursprünglichen London-Logos. String Dustin' der Country-Allstars ist ebenfalls die Neuauflage einer legendären 10-Inch von 1953.
Die Band um unter anderem Chet Atkins und Kenneth „Jethro" Burns spielt nicht etwa Country, sondern tief im Jazz verwurzelten Pop, wie ihn die großen Big-Bands der Golden Era in seiner orchestralen Variante vor allem in den späten 30ern spiel-ten. Das beeindruckendste Kleinod dieses Trios ist jedoch vor allem die A-Seite der Carl-Per-kins-Platte. Vier gerade erst entdeckte und bis-her völlig unbekannte Aufnahmen, die Perkins bereits zwei Jahre vor seiner Zeit bei Sun in einem kleinen Studio in Tennessee eingespielt hatte: Proto-Rock'n'Roll mit deutlichem Wes-tern-Swing-Einschlag, aber einer ziemlich schwarzen Seele. Alle drei Platten klingen atemberaubend, was vor allem am erwartungs-gemäß feinen Remastering der Originalbänder liegt. Hier enttäuschen die Musikarchäologen von Bear Family einfach nicht
ANDREAS KOHL
