Wer war/ist Mythos ? - CDs, Vinyl LPs, DVD und mehr
Mythos
Mythos gehörten in den 70ern mit zu den "besten Berliner Bands, wurden aber von den meisten Medien zu Un- recht übersehen. Von seinem seltsamen Gesang abgesehen, war der Gründer Stephan Kaske ein hochtalentierter Multiinstrumentalist und ein Visionär" (COSMIC EGG). Kaske und Thomas Hildebrand gingen in dieselbe Schul- klasse auf dem Hermann-Hesse-Gymnasium im West-Berliner Bezirk Kreuzberg, Harald Weiße in eine Par- allelklasse. Dort gründeten die drei autodidaktischen Musiker ihre erste Schulband unter dem Namen The Lovely People, benannt nach der 67er Single der englischen Band The Fairytale. Das Trio machte die "ein- schlägigen Jugendheime und Clubs unsicher und spielte als Support für Humble Pie in der Berliner Deutschland- halle vor etwa 2.500 Zuschauern bei totalem Desinteresse des Publikums" (HILDEBRAND).
Irgendwann erschien ihnen ihr Name allerdings als zu niedlich und sie benannten sich kurzzeitig in Kraft- werk um. Als dann bei einem der ersten Auftritte im nordfriesischen Norddeich "einige Besucher mit dem Kraftwerk-Debüt auftauchten und um Autogramme baten, war klar, daß einer neuer Bandname her mußte. Bei einem Brainstorming mit den Fotografen und späteren Managern und Veranstaltern Cornelius und Marcellus Hu- dalla wurde dann 1969 der Name Mythos ersonnen" (HILDEBRAND). Die Band erspielte sich im lokalen Bereich, speziell in ihrem "Wohnzimmer" (ROCKWIKI), dem Jugenclub Dachluke, einen wachsenden Fankreis. Beim '1. Berliner Pop-Festival' im Mai 1970 im Berliner Sportpalast gab es mit 45 Besuchern allerdings den ab- soluten Negativ-Rekord. Besser sah es da schon bei einem Auftritt in Niedersachsen beim Langelsheim- Festival zu Pfingsten 1971 aus.
Da standen 25.000 Besucher vor der Bühne. Einer davon war der OHR- Labelchef und Talentsucher Rolf-Ulrich Kaiser, der der Band einen Vertrag anbot. Noch im Herbst wurde, unter der Regie von Dieter Dierks in dessen Studio, das selbstbetitelte Debüt aufge- nommen und 1972 veröffentlicht. "Beeinflußt von Pink Floyd, Ash Ra Tempel und Hawkwind griff das Album auf Science-Fiction und ökologische Themen zurück, die beson- ders auf dem Schlußstück 'Encyclopedia Terrae' zu hören waren" (DER ABEND). Diese "gelungene Mischung aus Psy- chedelischem, Space- bzw. Hardrock und klanglichen Expe- rimenten wandelte unbeirrt zwischen den verschiedenen stilistischen Gegenpolen und verstand es, den kraftvollen Psychedelic-Sound mit elegischen Klangflächen zu ver- schmelzen" (BABYBLAUE SEITEN). Ende des Jahres tausche Stephan Kaske seine Rhyth- musgruppe aus und engagierte Axel Brauer (dr) und Michael Kratz (b). Trommler Hildebrand tauchte da- nach bei der Band Metropolis wieder auf. Im Frühjahr 1973 trennte sich Kaske erneut von seinen Begleitern und stellte ein halbes Jahr später mit Robby Luizaga (b, g, mel) und Hans-Jürgen Pütz (dr, perc, vib, syn) die neue Besetzung vor. Für den im Herbst 1974 ausgestrahlten ZDF-Film 'Die Superspinne' (Regie: Eberhard Itzenplitz), schrieb Kaske die Filmmusik, die unter dem Titel Expeditions auf dem 75er Mythos-Album 'Dreamlab' wiederzufinden war.
Der Film handelt von "einem Gruppen-Experiment, bei dem junge Leute, mit dem Bedürfnis nach einer gewissen Musikalität der zwischenmenschlichen Beziehungen, als Clique lebten" (SPIEGEL). Mit 'Dreamlab' (Untertitel "De- dicated To Wernher Von Braun") erschien 1975 ein "entspannt-meditatives Werk" (BABYBLAUE SEITEN). Mit der Platte wollte sich die Gruppe jedoch später nicht mehr identifizieren, weil das "praktisch eine Auftragsproduktion für Kaiser und die KOSMISCHEN KURIERE war" (KASKE). Trotzdem fand das Album aufgrund der "durchweg fließenden Musik – besonders durch Stephan Kaskes Flötenspiel – großen An- klang" (ROCK IN DEUTSCHLAND). Eine im Frühjahr 1976 aufgenommene "Krönungszeremo- nie des Tut-Ench-Amun", bei der, neben Kaske und Luizaga, noch Jürgen Dollase (key), Harald Großkopf (dr, beide Wallen- stein) und Roberto Cacciapaglia (g) beteiligt waren, erschien nie als Album. Im Sommer 76 fand Kaske mit Sven Dohrow (g), Eberhard P. Seiler (b) und Ronnie Schreinzer (dr) die "musikalisch optimale Beset- zung" (KASKE), mit der Ende 1977 das nächste Mythos-Album 'Strange Guys' aufgenommen wurde, das "eindeutig in die neue musikalische Richtung – Mainstream, Synthy-Rock, mit zahlreichen kurzen Songs – " (PROGAR- CHIVES) wies, die von der Band eingeschlagen wurde.
Diese wohl rockigste Mythos-Phase enhielt "dynamische, kraftstrotzende Songs mit konkretem Aufbau und ausgedehnten Soli" (TIP), denen man anmerkte, daß die Band ständig mit diesem Material auf Tournee war. Ein "grundsätzlich brauchbares Album, jedoch sobald Kaskes Stimme dazukam, wünschte man sich einen dringenden Termin oder ein klingelndes Telefon, das einem das gerade Gehörte vergessen macht. Zu hausbacken klang sein Organ" (BABYBLAUE SEITEN).
Burghard Rausch im Juni 2020
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