Hailey Whitters Raised (CD)

(Big Loud Records) 17 tracks

Obwohl Hailey Whitters jetzt in Nashville lebt, ist ihre Vorstellung von Country der Mittlere Westen - mit seinen Grasfeldern und Farmern, warmem Bier und Whiskey, Apfelkuchen und Verandaleuchten. Nach dem durchschlagenden Erfolg ihres nach vorne gerichteten Debüts The Dream aus dem Jahr 2020 konnte sie Bilanz ziehen, wie weit sie von ihren bescheidenen Anfängen in Shueyville, Iowa, 731 Einwohner, gekommen war.

Das Ergebnis ist ihr zweites Album Raised, eine großzügige und unverblümte Feier des Aufwachsens in einer großen Familie in einer kleinen Stadt, die Whitters als eine echte Country-Songwriterin von Rang und Namen etabliert.

Mit ihrer gefühlvollen Stimme, die zwischen klagend und frech, Zärtlichkeit und Twang wechseln kann, deckt sie eine Menge Terrain ab, während sie ihren Fokus hyperlokal hält (das Album endet mit Ad Astra Per Alas Porci, übersetzt als zu den Sternen auf den Flügeln eines Schweins). Es ist klar, dass dies ein Album der alten Schule ist, mit einer durchdachten Reihenfolge, Vor- und Zwischenspielen und sogar einem Schnipsel gesprochener Worte.

Der Titeltrack - eine wehmütige Erinnerung daran, wie Whitters' Erziehung ihr Herz geformt hat - ist auch der Aufmacher, der sofort das Thema vorgibt. Mit Pedal Steel und beschwörenden Details wie Pampasgras, Sonntagskleidern und a little dirt don't hurt ist der Song sowohl eine Hommage an den Ort als auch ein Bekenntnis zur Langfristigkeit.

Stolz auf den Ort bedeutet Selbstachtung, und Whitters erfüllt auf Everything She Ain't, der frechen Leadsingle, die sie Anfang des Jahres veröffentlicht hat, eine doppelte Aufgabe: Sie ist eine Frau für alle Fälle und ein einzigartiges Fundstück. Mit Handclaps, Fiddle und Banjo übertreffen Whitters und ihre Co-Autoren Bryan Simpson und Ryan Tyndell mit ihrem cleveren Wortspiel und ihrer geschickten Phrasierung verschiedene Tropen: Honey there's plenty of fish in the sea / But if you take a second look / you'll see there's only one of me.

Es sind Whitters' Detailgenauigkeit und ihre Bereitschaft, sich auf Widersprüche einzulassen, die ihren Liedern Gewicht verleihen. Wenn man Middle of America hört, denkt man unweigerlich an eine andere Ode an das amerikanische Kernland, John Mellencamps "Jack and Diane" (ebenfalls ein Künstler aus einer Kleinstadt, wenn auch nicht so klein wie Whitters), vor allem, wenn man den Gesang von BJ Barham von American Aquarium dazu hört. Es ist ein gelungenes Duett, bei dem Whitters ihre gegensätzlichen Überlegungen in ihren witzigen Einzeilern ausbalanciert: between going nowhere and going crazy / raising hell and raising babies.

Kurz gesagt, Raised ist voll von Whitters' Herz, nirgendwo mehr als bei Big Family. Mit seinen Ehemännern und Cousins, Ex-Frauen und Wohnzimmerpredigern besingt Whitters die unschätzbaren Lektionen, die man nur lernt, wenn man lernt, mit anderen zu leben, selbst wenn es chaotisch ist. Das ist ein willkommenes Stärkungsmittel in einer Zeit, in der Familien oft mehr entzweit sind als nicht.

Auch wenn Whitters auf Raised ihre Füße immer fester auf den Boden setzt und ihre gewöhnliche Herkunft durch die Linse des Erfolgs betrachtet, greift ihre Musik nach den Sternen.