Spiegel Online Kultur 03.07.2015
Ende der Siebzigerjahre verkündete der Journalist Alfred Hilsberg im Fachmagazin "Sounds": "In Westdeutschland und Westberlin findet eine neue Musik statt. Sie wird gemacht und wird gehört. Einige nennen es immer noch Punk und wollen es sein. Andere wissen mit diesem Begriff nichts mehr anzufangen." Hilsberg gab dem Phänomen seinen Namen: "Neue Deutsche Welle" nannte er es. Gemeint war eine Szene, die, inspiriert vom Punk und New Wave der Engländer und Amerikaner, auch hierzulande eine Generation junger Aufgekratzter zu den Gitarren und Synthesizern greifen ließ.
Neu an dieser Deutschen Welle war, abgesehen von den unkonventionellen Do-It-Yourself-Produktionen, dass so gut wie alle Beteiligten sich der deutschen Sprache bedienten. Das war bis dahin im sogenannten Rock ein Monopol von Udo Lindenberg, Peter Maffay und Konsorten gewesen.
Die erfrischende Musik, die damals den deutschen Pop revolutionierte, wird nun in der auf vier Teile angelegten Sampler-Reihe "NDW - Aus grauer Städte Mauern" so akribisch wie nie zuvor aufgearbeitet. Verantwortlich für die detektivische Fleißarbeit sind die Musikarchäologen der Firma Bear Family Records. Sie haben die vier Doppel-CDs mit dicken Heften ausgestattet, die detaillierte Anmerkungen zu den vertretenen Künstlern bieten.
Hubert Kah gegen Andreas Dorau
Aber wer gehörte nun eigentlich zur "Neuen Deutschen Welle" und wer nicht? Das ist bis heute unklar. Einigermaßen Einigkeit besteht nur über den zeitlichen Rahmen, der besagt, dass der ganze Wirbel gegen 1977 losbrach und dass Mitte der Achtziger die Luft wieder raus war. "Also ich unterscheide ja zwischen Neuer Deutscher Welle und NDW", sagt der ehemalige NDW-Held Andreas Dorau im Booklet. "'Sounds' hat den Begriff Neue Deutsche Welle geprägt. Und später nannte man es dann NDW, und dazu gehörten Markus, Hubert Kah und so was. Und damit hatte ich nie was zu tun. Neue Deutsche Welle war experimentelle deutschsprachige Musik." Dorau, inzwischen 51, wurde vor allem mit "Fred vom Jupiter" bekannt und ist auf dem Sampler mit "Der lachende Papst" vertreten. Darüber, dass er in dieser Reihe nun mit Nena, Hubert Kah und Fräulein Menke zusammengeworfen wird, dürfte der Hamburger Künstler weniger glücklich sein.
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