Wer war/ist 39 Clocks ? - CDs, Vinyl LPs, DVD und mehr
39 Clocks
Christian 'CH-39' Henjes (g, org, voc)
Jürgen 'JG-39' Gleue (g, b, voc)
Über die Hannoveraner Psychedelic-Undergroundband 39 Clocks kursierten die wildesten Geschichten, von denen einige wohl auch der Wahrheit entsprachen. Bei einem ihrer Konzerte im Cafe Glocksee in Hannover sollen sie – anstelle von Gi- 76| tarren – mit Staubsauger und Kreissäge auf der Bühne erschienen sein, weil das "LSD in ihren Köpfen keinen Raum mehr für die Erinnerung an die eigenen Songs zuließ" (laut.de). Die Gruppe gehörte – gemeinsam mit Nova Express, The Beauty Contest, Shiny Gnomes, Multicoloured Shades, den Kastrierten Philosophen und Yellow Sunshine Explosion – zur Szene der Neo-Psychedelic Bands des deutschen Underground der 80er. Ihre ersten Live-Auftritte absolvierte das deutsche Psychedelic-Garage-Punkduo in der Dada Nova, einem Areal der AAO- Kommune (Aktionsanalytische Organisation) des Otto Mühl in der Mitte Hannovers. Die 39 Clocks waren bei Live-Auftritten für Scherze der übelsten Art und für die Teilzerstörung der Clubs in denen sie auftraten, bekannt – ein Ruf, der der Band bis zu ihrem Ende anhaftete. Bei einem Auftritt auf der Documenta 1979 in Kassel wurde ihr Konzert abgebrochen, weil der Lärm dem deutschen Künstler und Kunsttheoretiker Joseph Beuys auf die Nerven ging, und in Bremen wurde ein Messer in Richtung Band geworfen.
Bei den 'Filmtagen Hannover' sorgten sie mit der Aufführung eines Avantgarde-Super-8-Films für helle Empörung, den sie unter der Anleitung des Regisseurs Zachius Lipschitz gedreht hatten. Lipschitz war für Filme, die aus 45 Minuten Vorspann (rotes Bild) und 45 Minuten Abspann (grünes Bild) bestanden, bekannt geworden. Zu ihrem Film hatten die 39 Clocks den Titel Art Minus Idiots eingespielt. Gegründet wurden die 39 Clocks 1976 von Gleue und Henjes; getroffen hatte sich das Duo bereits in den 60ern – "dieselbe Schule, dieselbe Nachbarschaft, sehr ähnliche Interessen, Malerei, Comics und gemeinsame Musik, mit der wir Nachbarn terrorisierten, selbstgedrehte, beknackte Super-8-Filme, Alkohol und Drogen. Das war alles nicht sehr ambitioniert oder sehr ernsthaft, sondern eher, um uns zu amüsieren" (Gleue). Dieses Kern-Duo Gleue und Henjes wurde immer mal wieder erweitert. Neben Claudius Hempelmann (dr, später Der Moderne Man) und Rüdiger Klose (dr, später Kastrierte Philosophen) (+ 26. 09. 2010) gehörten auch Süsskind (Erhard Schüttpelz, melodica, Kosmonautentraum) und Emilio Winschetti (voc, syn, Mythen In Tüten, The Perc Meets The Hidden Gentleman) mit zu den Besetzungen der 39 Clocks. Im August 1980 veröffentlichten "Deutschlands dienstälteste Schrammelpioniere" (laut.de) mit der Single DNS / Twisted And Shouts (einer Cover-Version des Klassikers Twist And Shout) ihre Debütsingle auf dem Hannoveraner Indie-Label NO FUN RECORDS, darauf spielten sie eine deutsche Form des US-Sixties-Garage-Punks, gespickt mit Anleihen bei Ikonen wie Velvet Underground, Kim Fowley, United States Of America und Suicide.
Die monotonen Akkordfolgen mit hypnotischen Rhythmen – sehr oft aus der Beatbox – sowie der emotionlose Gesang machten die Band in Deutschland einzigartig. Ein Jahr später folgte das Debütalbum 'Pain It Dark' ebenfalls für das NO FUN-Label. Als Unterstützung waren neben Win- schetti noch Christian Kuschel (dr) und Tonio Scorpo (sax, später Der Moderne Man) an den Aufnahmen beteiligt. Auf dem Album, dem in limitierter Auflage das Promo-Magazin '39 Black Pages Of 39 Clocks' beilag, zelebrierte die "selbstgekrönte 'Psycho-Beat'-Combo in einer zwielichtigen Schattenwelt ihre eigene konträre Gegenkultur" (luxury products). Optisch ori- entierten sich die 39 Clocks am Outfit der US-Rocklegende Velvet Underground, traten immer in Schwarz auf, trugen immer Sonnenbrillen und prägten so entscheidende Sätze wie "Schwarz-Weiß-Fernseher zeigen bessere Filme als Farbfernseher" (Pressetext). Musikalisch richteten sie sich an der psychedelischen Direktheit des US-Garagenrock der 60er aus.
Das beinhaltete sowohl die simple Studio- und Produktionstechnik als auch die eigenwillige Verwendung der englischen Sprache in Texten, die manchmal dem Denglisch sehr nahe waren. Dabei war es "melancholisch-stimmungsvoll, mit einer Rhythmus- maschine, die oft etwas Depressives an sich hatte. Absolut überzeugend – aber leider in Englisch" ('Sounds'). Für das zweite 39 Clocks-Album 'Subnarcotic' (1982) hatten Gleue und Henjes mit Pschotic Promotion ihre eigene Platten- firma gegründet und ließen ihren "futuristischen, hypnotischen 60er-Jahre Psychedelic-Rock dröhnen, angetrieben von einer Beatbox und gesungen in Englisch mit hörbarem deutschen Akzent" (Indigo) – sozusagen als Gegenentwurf zu NDW. 1983 trennten sich die Wege von Gleue und Henjes, unmittelbar nach einem Auftritt beim 'Psychotic Splash Festival' am 18. Juni in Hannover. In den Folgejahren erschienen noch der Sampler 'Blades In Your Masquerade' und die Raritäten-Zu- sammenstellung 'Cold Steel To The
Burghard Rausch
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Aus grauer Städte Mauern - Die Neue Deutsche Welle (NDW)
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