Wer war/ist Interzone ? - CDs, Vinyl LPs, DVD und mehr

Interzone

Heiner Pudelko (voc, harm)
Leo Lehr (g)
Mario 'Bibi' Schulz (g)
Hans Wallbaum (dr)
Ralf 'Trotter' Schmidt (b)

Für Interzone gab es nie Kompromisse. Die Band stand für kernigen, dreckigen Rock 'n' Roll und Rhythm & Blues mit unverschämten und respektlosen Texten. "Das Ganze war nichts für schwache Nerven und zartbesaitete Gemüter" ('Zitty'), und Heiner Pudelkos schräger Gesang konnte einen zum Wahnsinn treiben. Interzone war zum Hören und Fühlen – Musik gleichermaßen für den Bauch und für den Kopf. "1979 geschah das Wunder: In Berlin, dieser Pfütze im Niemannsland, bildete sich eine Wave. Das mußte das Glück sein. Viele glitten auf ihrer schäumenden Krone dahin und nichts konnte sie halten. Wo sind sie geblieben" (Pudelko). Ziel der Band war es, "Rock 'n' Roll und Rhythm 'n' Blues mit deutschen Texten zu spielen, und zwar nicht mit der be- knackten 'Hier stehen wir und wissen nicht warum'-Liedermachereinstellung und auch nicht mit pubertär-schnoddrigem Lindenberg-Slang, sondern wir treten an, um leicht und etwas ironisch, aber ehrlich das Lebensgefühl unserer verlorenen, im Asphalt-Dschungel eingemauerten Generation zu beschreiben" (Pudelko). Sänger Pudelko wurde – laut eigener Auskunft – durch die Krawalle des Berlin-Konzertes von Bill Haley & His Comets zum Musikmachen inspiriert. 1962 gründete er The Huts, die 1964 bereits bei der Spencer Davis Group das Vorpro- gramm bestritten.

1968 gründete er mit Alex Conti (g, sp ter Atlantis, Lake) die Blues-Rock-Band Curly Curve, die er allerdings bereits 1970 wieder verließ. Die erste Interzone-Besetzung entstand im Januar 1979 und fusionierte mit Musikern der Berlin Bar Band, darunter Ralf 'Trotter'Schmidt(ex-BelAmi)undMario'BiBi'Schulz.Da- |21 mals begannen sie die Gedichte des Literaten Wolf Wondrat- schek zu vertonen. Bereits im Sommer debütierte die Band beim 'Young Music Summer Festival' in Berlin, was zu einem sogenannten Schallplatten-Options-Vertrag mit der WEA führte. Aber als Wondratschek erfuhr, daß die geplante Platte bei einem Majorlabel erscheinen sollte, zog er die Texte zurück, weil "er sich nicht auf der Teenie-Ebene und in der 'Bravo' wiederfinden wollte" (Pudelko). So kam es zum Bruch zwischen Interzone und der WEA. "Rock 'n' Roll ist ein besonderer Saft. Wie immer beim Duft von blutigem Fleisch erschien ein Schwarm von Schmeißfliegen, um seine unreine Brut daran zu mästen." (Pudelko). Interzone brauchte ein dreiviertel Jahr um sich, durch die WEA-Option noch immer gebunden, aus dem Vertrag zu lösen. Im Sommer 1980 veröffentlichten sie die Single Kinderlieder aus Beton, die im Probenraum in Berlin-Kreuzberg auf eigene Kosten mit dem damals noch kaum bekannten Tonmeister Udo Arndt aufgenommen worden war. Beim Verpacken half ihnen der Fotograf und Musikenthusiast Jim Rakete, der zusammen mit den Musikern eine kongeniale Werbeaktion startete: Am Potsdamer Platz strich die Band in der Nacht zum 17. Juni 1980 vierzig Meter der Berliner Mauer pechschwarz an, sprühte das Bandlogo darauf, wurde von der britischen Militärpolizei abgeführt und verhört.

Nach dieser Aktion war die Band plötzlich in aller Munde, und so war die Auflage der Single trotz des Eigenvertriebs schnell vergriffen. Dieser Erfolg rief im Spätsommer 1980 die WEA wieder auf den Plan, die Interzone wieder unter Vertrag nehmen wollte. Die Band ließ sich auf sehr zähe Vertragsverhandlungen ein und unterschrieb schließlich zwei Tage vor Abschluß der LP-Produktion den Vertrag. Das Album erschien am 16. Juni 1981, und mit Liebeslied war nun doch noch ein Wondratschek-Text auf dem Debüt vertreten. Alle anderen Texte, darunter der eingedeutschte Tom Waits-Song Karl, hatten Pudelko und Lehr geschrieben. Die Musik war gerade, mit einfachsten Mitteln und einer "theatralisch-manirierten Stimme, die irgendwo hängen bleibt, manchmal schrill, manchmal flüsternd" ('MusikExpress'). "Interzone hatten damals das Glück und Pech zugleich, als Produkt der NDW ange- sehen zu werden. Glück, weil sie dadurch einen Plattenvertrag bekamen; Pech, weil sie eigentlich musikalisch und textlich nie etwas mit der Welle zu tun hatten." (Udo Arndt). Die Gruppe ging Anfang 1982 wieder ins Studio von Udo Arndt. Für den Bassisten Schmidt, der nach England übergesiedelt war, kehrte zu den Aufnahmen für 'Aus Liebe' Mitgründer Herkenberg wieder zurück. Interzone und Arndt verzichteten dieses Mal auf die Bläsersätze des Debüts, was dem Bandsound eine neue Schärfe gab.

Das Album enthielt "puren Stoff da capo und geriet härter noch als das Debüt, tendierte mehr zum Rhythm & Blues denn zum Soul. Noch stärker als der Erstling ist das zweite Album eine Gitarrenplatte" ('Tip') von "Deutschlands bester Rhythm & Blues Band, die gehörig Dampf abläßt." ('Playboy'). Doch entgegen aller Prognosen verkaufte sich das zweite Album nur mäßig. Daraufhin ließ das Label den Vertrag mit Interzone auslaufen, weil die Band "nicht kompatibel zur Neuen Deutschen Welle" war (Label-Info). Interzone reihten sich daraufhin endgültig in die "Fabrik" ihres Mentors, Managers und Fotografen Jim Rakete in Berlin- Kreuzberg ein, der zugleich auch Spliff und Nena betreute. Pudelko war für ihn "so etwas wie die Marlene Dietrich des Punk." (Jim Rakete). In der Fabrik Rakete sollte die Gruppe in Ruhe die Aufnahmen für ihr drittes Album vorbereiten, das mit einem mobilen Aufnahmestudio direkt in der Fabrikhalle aufgenommen wurde. Mit dieser ungewöhnlichen Arbeitsme- thode und vielen Sessions wollte die Band aus der üblichen Routine ausbrechen. Alles lief normal bis Anfang Juli 1983, als ein weiteres Interzone-Konzert in der Berliner Waldbühne anstand. Die erste Probesession für dieses Konzert war für den 12. Juli vorgesehen, aber Bassist Herkenberg erschien nicht zur Probe.

Nach einer Nachfrage bei der Berliner Polizei ergab sich die schreckliche Gewißheit: Herkenberg war in der Nacht zuvor von einem Passanten tot auf einem Gehweg am Paul- Linke-Ufer in Berlin-Kreuzberg aufgefunden worden. Die Autopsie ergab zwar einen Blut-Alkoholgehalt von 3,5 Promille, gestorben war er aber an schweren Schädelverletzungen und an Verletzungen der linken Körperhälfte. Geklärt werden konnten die genaueren Umstände, die zu seinem Tod geführt hatten, jedoch nie. 'Trotter' Schmidt half seinen Freunden |23 beim Waldbühnen-Konzert zwar aus, stand aber für die weiteren Bandprojekte nicht zur Verfügung. Es war "ein Glück, daß zum Ausklang mit Interzone wenigstens eine echte Blues- und Soulband erster Güte angesetzt war, die in die gelichteten Fanreihen vor der Bühne noch mal viel Bewegung brachte. Eine exzentrische Bühnenpersönlichkeit wie der Sänger Heiner Pudelko, der sich vom stimmlichen und optischen Eindruck her so ziemlich allen gängigen Schablonen entzog, wirkte da zusammen mit ganz hervorragenden Instrumentalisten." ('Der Tagesspiegel'). Der Tod des Freundes führte Pudelko Anfang 1984 in eine persönliche und gesundheitliche Krise. Der Sänger erkrankte länger und bremste die Gruppe erheblich...

Burghard Rausch 

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Aus grauer Städte Mauern - Die Neue Deutsche Welle (NDW)

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