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Graphische Träume

800 Filmplakate deutscher und internationaler Produktionen

von Manfred Christ

Der Autor

Manfred Christ kam am 23. April 1941 in Oranienburg, Mark Brandenburg, zur Welt. 1945 zog die Familie nach Westdeutschland um, wo er 1948 eingeschult wurde. Nach Abschluß der Volksschule begann Christ am 1. April 1957 eine Lehre als Bürokaufmann und wurde am 31. März 1960 als Sachbearbeiter für Medizintechnik von der Lehrfirma übernommen. Von 1963 bis 1968 war er als Sachbearbeiter in einer Firma für Arzt-/ Krankenhaus-Laborbedarf tätig und von 1969 bis 1995 Mitinhaber eines medizintechnischen Betriebs. Aus gesundheitlichen Gründen trat Manfred Christ 1996 in den Vorruhestand.

 

Vorwort von Renato Casaro

Es waren wahrlich gute Zeiten für Filmplakat-Maler -- jene fetten Jahre 1950 bis 1970. Es gab eine Fülle von Filmen für eine Fülle von Kinos -- jedes Jahr kamen mindestens 250--300 Filme aller Art und Couleur in die damals um die 6000 deutschen Filmtheater -- oft richtige Paläste mit großen Sälen und häufig über 1000 Sitzplätzen. Der Kinobesuch war ein Event -- für jeden Geschmack gab es den richtigen Film im Programm -- Film war (und ist es ja noch immer) ein Massenmedium.

Es gab in dieser Zeit auch eine bemerkenswerte Filmproduktion in den europäischen Ländern, die in ihrem Stellenwert den amerikanischen Produktionen in nichts nachstand, und jeder Film brauchte sein Plakat, das die Message, an den Plakatsäulen angeklebt, dem Volk verkündete.

Damals war es üblich, denselben Film in jedem Land mit einem eigenen Filmplakat auszustatten. Es war nicht die Zeit, in der man Ideen für ein Plakat finden mußte -- man mußte auf einer geringen Fläche den ganzen Filminhalt transportieren, dem Publikumsgeschmack und der Mentalität entsprechen, um möglichst viele Menschen zum Kinobesuch zu motivieren -- eine große Verantwortung und eine Arbeit, die wesentlich einfacher aussieht, als sie ist.

Ich war damals noch sehr jung und hatte nie einen anderen Berufswunsch, als Filmplakate zu malen. Mein allererstes Filmplakat entstand übrigens für einen deutschen Film: 'Zwei blaue Augen' mit Marianne Koch. Ich arbeitete in Italien für die damals äußerst aktive italienische Filmindustrie. Der Neorealismus, Rossellini, de Sica, Fellini revolutionierten das Kino und den Publikumsgeschmack.

Ich hatte Glück, mit dem Plakatauftrag für den Film 'Die Bibel' recht früh in einen internationalen Markt zu gelangen. Das stellte mich vor die Aufgabe, die Marktsituation gründlich zu studieren, weil das Plakat für eine weltweit operierende Firma verwendet wurde, also möglichst jeder Mentalität entsprechen sollte. Deutschland war schon immer ein wichtiger Markt, und so habe ich mich natürlich auch mit den von deutschen Plakatkünstlern geschaffenen Filmplakaten befaßt.

In Deutschland, wie auch in meiner Heimat Italien, arbeiteten wirklich große Meister, die für mich Inspiration waren und meinen jungen Ehrgeiz weckten: Litter, Rehak, Wendt in Deutschland, dazu Ballester, Martinati und Capitani in Italien. Alle gehörten derselben Generation an -- hineingeboren in die wunderbarste Zeit, die das Kino erlebte und in der man für die besten Filme Plakate schaffen konnte.

Litters Plakate zu 'Ludwig II.' oder 'Ein Weib wie der Satan' sind heute noch ebenso modern wie zu seiner Zeit, seine Arbeiten sind hervorragend komponiert und äußerst plakativ. Rehaks faszinierendes Plakat für 'Die Glenn-Miller-Story' gehört immer noch zu meinen Favoriten, und Wendts kraftvolle Portraits und kompositorischer Rhythmus sind einmalig.

Auf der Höhe ihres Schaffens ist diese Generation großer Plakatkünstler Ende der 60er Jahre plötzlich verschwunden. Ein Grund mag sein, daß es nicht gelungen ist, den über Jahre hinweg neuentwickelten Stil dem sich ändernden Publikumsgeschmack anzupassen; ein anderer, daß man damals versuchte, dem Publikumsgeschmack vermehrt durch Gestaltung von Plakaten aus Fotomontagen zu entsprechen. Aber das war keine absolute Neuheit.

Es gab immer wieder Phasen von Fotoplakaten, aber die klassische Plakatmalerei ist immer präsent geblieben als ideales Mittel vor allem für Western-, Action- und Abenteuerfilme. Sie war kreativer und effizienter. Das gemalte Plakat war weit entfernt, von seinem Platz verdrängt zu werden.

Es waren Lutz Peltzer und Klaus Dill -- fast eine Generation jünger --, die in die Fußstapfen der Meister traten. Es war nicht unbedingt ein neuer Stil, aber er war in der Gestaltung zeitgerechter, in der Farbgebung und Form moderner und auf der Suche, den Film nicht nur zu erzählen, sondern auch Ideen in das Plakat einzubringen -- Lutz Peltzer z. B. mit 'Zwei Tage und zwei Nächte' oder 'Endstation Hölle'.

Für mich persönlich war es verblüffend zu beobachten, daß in Italien zeitgleich derselbe Prozeß ablief -- der Stil war sehr ähnlich, und der Publikumsgeschmack änderte sich etwa zur gleichen Zeit. Nur in Frankreich hatte man sich früh von der Filmplakatmalerei losgesagt -- der Generationswechsel war radikaler, und die französischen Agenturen arbeiteten schon damals fast ausschließlich mit Fotoplakaten. Eine der wenigen Ausnahmen waren später meine Plakatarbeiten für die Belmondo-Filme.

Auch in den 70er Jahren war das gemalte Filmplakat noch längst nicht ausgestorben. Das passierte dann fast über Nacht erst 25 Jahre später mit dem Photoshop-Plakat aus dem Computer, das das Ende der Filmplakatmalerei einläutete. Vielmehr verpflichteten die ausländischen, besonders die amerikanischen Produktionen die internationalen Verleiher, die im Produktionsland entwickelten Kampagnen weltweit zu verwenden. Gleichzeitig war die Anzahl der europäischen Filmproduktionen rückläufig. War man also zu dieser Zeit nicht schon international präsent und anerkannt, blieb man langsam, aber sicher auf der Strecke. Es gab also zunächst nicht mehr soviel Arbeit für den nationalen Filmplakatmaler und dann zwangsläufig auch nur wenige Künstler, die sich mit dem besonderen Thema Film auseinanderzusetzen wußten. Das mag auch ein Grund sein, warum z. B. Horst Wendlandt von der Tobis-Film auf mich zukam, um die Plakate für die Terence-Hill-Bud-Spencer-Serie zu entwickeln.

Ich gelte als eine Art Dinosaurier der Filmplakatmalerei, obwohl ich mich künstlerisch längst mit anderen Themen befasse. Und ich bin jetzt schon neugierig auf ein nächstes Buch mit den Plakaten nach 1970. Ich denke, da wird der verhängnisvolle Verfall einer jahrzehntelangen Kultur, die heute Kultstatus hat, sichtbar werden.

 

Renato Casaro, Marbella, Spanien

GRAPHISCHE TRAEUME

Manfred Christ: Filmposter

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