Wer war/ist Wolfgang Dauners Et Cetera ? - CDs, Vinyl LPs, DVD und mehr

Wolfgang Dauners Et Cetera

Die englische 'Virgin Jazz Encyclopedia' beschrieb Wolfgang Dauner als "musikalische Parallele zu neo- dadaistischen Künstlern wie Joseph Beuys". Ob Jazz, Rock oder Klassik, er komponierte für Film, Fernsehen und Hörspiel, er schrieb Kirchen- und Theatermusik und war offen für Experimente. Seine Leidenschaft galt aber immer dem Jazz. Er war einer der maßgeblichen Geburtshelfer einer eigenständigen europäischen Jazzentwicklung. Dauner hat sich sowohl um die Entwicklung eines neuen Jazz in Deutschland besondere Verdienste erworben, als auch für die europäischen Spielformen des Free-Jazz, und war neugierige und grenzüberschreitende Symbiosen mit der Rockmusik und der klassischen zeitgenössischen Musik, der Avantgarde und der elektronischen Musik eingegangen. Dauner wurde am 30. Dezember 1935 in Stuttgart-Bad Cannstatt geboren. Später ging er auf die Hoch- schule für Musik in Stuttgart und studierte Trompete und Komposition. Gleichzeitig spielte er abends in den Clubs der US-Army und arbeitete in der Unterhaltungsbranche – so z.B. als Trompeter mit dem Ufa- Altstar Marika Röck, und ging mit Zara Leander und Lale Andersen auf Tour. In den 60ern spielte Dauner als Pianist mit wichtigen US-Jazzmusikern wie Benny Bailey, Leo Wright oder Robin Kenyatta. Aber Dauner war einer, der immer für neue Möglichkeiten offen war – lange vor anderen benutzte er unterschiedliche Keyboards, Synthesizer und manipulierte Tonbänder und Computer. "Wir haben das Konzept, daß wir kein bestimmtes Konzept haben.

Es kommt immer darauf an, wer mitspielt. Im Moment tendieren wir ein wenig zur Rockmusik" (DAUNER), so erklärte er 1972 den Stil seiner damaligen Band Et Cetera. Nach Aufnahmen mit einem Studio-Trio, u.a. mit Kurt Bong (perc) gründete Dauner 1963 das Wolfgang- Dauner-Trio mit Eberhard Weber (b) und Fred Braceful (dr), einem US-Amerikaner, der nach seiner Army- Zeit in Deutschland geblieben war. 1964 nahm das Trio das Album 'Dream Talk' auf, das für ihn den großen Durchbruch bedeutete, eine "durchaus sehr zugängliche LP, die diejenigen ansprechen sollte, die aben- teuerlichere Musik suchen, ohne auf Swing, Harmonie und Melodie zu verzichten – mit vielen freien Elementen" (TIME OUT). Wolfgang Dauner in der Kategorie "Krautrock" mag fragwürdig erscheinen, aber das Et Cetera-Debüt ist mit "keinem anderen Dauner-Album vergleichbar. Et Cetera war spacig, verrückt, durchgeknallt, avangar- distisch, krautrockig und natürlich auch ein wenig jazzig. Irgendwo anzusiedeln zwischen den ganz frühen Embryo- und Tangerine Dream-Platten. Jazzliebhaber konnten diesem Album wahrscheinlich überhaupt nichts abgewin- nen" (KRAUTROCK MUSIKZIRKUS). 1969 absolvierte Dauner mit den German Allstars eine Südamerika-Tournee und übernahm im gleichen Jahr die Radio Jazz Group des Süddeutschen Rundfunks, "eine Formation, die mit den damaligen Hörkonven- tionen gründlich aufräumte" (MUNZINGER) und die, unter anderem, mit Terje Rypdal, Jean-Luc Ponty oder Chick Corea für den Rundfunk produzierte.

Das 70er Album des Quintets The Oimels, mit Dauner, Weber, Siegfried Schwab (g, si), Cavalli Pierre (g) und Roland Wittich (ex-Modern Jazz Crew), "brach sämtliche Re- geln und präsentierte sich als Psychedelic-Jazz-Pop-Band. Ein in jeder Hinsicht außergewöhnliches Album mit ver- zerrter Gitarre, Sitar-Klängen und andern Freakouts" (KRAUTROCK MUSIKZIRKUS). Anfang der 70er entstand dann die Band Et Cetera, in der die Musiker – Dauner auch auf dem Moog-Syn- thesizer – die Übergänge zwischen freiem und Rockjazz erkundeten. Damit wurde eine "deutsche Weiterent- wicklung des für die gesamte Jazzentwicklung wegweisenden Klaviertrios" (HOMEPAGE) ausgelotet und 1971 das selbstbetitelte Debüt veröffentlicht. Die erste Et Cetera-Besetzung bestand, neben Dauner, aus Weber, Wit- tich, Braceful († 1995) und Siegfried Schwab (g). Das zweite Et Cetera-Album 'Knirsch' (1972) war dann schon mit neuer Besetzung eingespielt worden. Neben Dauner und Braceful waren noch Günter Lenz (b), Jon Hiseman (dr, ex-Colosseum) und Larry Co- ryell (g) mit dabei. 'Knirsch' war "ein schönes Album mit virtuos vorgetragenem und meistenteils sehr druckvollem Jazzrock, der zum Besten gehört, was im Genre in der ersten Hälfte der 70er (nicht nur in Deutschland) eingespielt wurde" (BABYBLAUE SEITEN). Beim dritten Album 'Live' (1973) gehörten neben Dauner und Braceful Matthias Thurow (b, si), Lala Kovacev (dr) und Jürgen Schmidt-Oehm (vi, fl) zur Besetzung. 1972 wurde Dauner von der Musikzeitschrift 'Sounds' zum "Musiker des Jahres" gewählt. Dauner arbeitete für TV-Vorschulprogramme wie 'Die Sendung mit der Maus' und produzierte 1974 gemeinsam mit Melchior Schedler die TV-Musikerziehungs-Serie 'Glotzmusik' für den Süddeutschen Rundfunk, "eine wun- derbar witzige und poetische Einführung in die Musik, die ihm den Titel eines 'Mozarts der Kindermusik' eingetragen hatte" (JAZZPAGES).

1976/77 gehörte Dauner zu den Gründern des United Jazz + Rock Ensemble. Regisseur Werner Schretzmeier hatte 1975 die Jugendserie 'Goldener Sonntag' konzipiert. Für diese Serie – einer Mischung aus Livemusik und improvisierten Spielszenen, u.a. mit dem Kabarettisten Hans-Dieter Hüsch, sollte eine Studiogruppe gegründet werden – die Musik sollte aufgrund der Zielgruppe aber rockiger und kein reiner Jazz sein. Dau- ner sprach befreundete Musiker an, wie zum Beispiel Jon Hiseman (dr, ex-Colosseum, † 2018), dessen Frau Barbara Thompson (sax), Ian Carr (tr, ex-Nucleus, † 2009), Volker Kriegel (g, † 2003), Eberhard Weber (b, ex-Et Cetera). Daraus entstand ein Jahr später das United Jazz + Rock Ensemble mit Albert Mangelsdorff (tb, † 2005), Charlie Mariano (sax, fl, ex-Embryo, † 2009) und Ack van Rooyen (tr, fr horn). Durch ihre Fernseh-Auftritte wurde die Band einem Publikum weit über die Jazz-Gemeinde hinaus bekannt. In der 25-jährigen Schaffensphase der Band wurden 15 Alben auf ihrem eigenen Label MOOD RECORDS veröffent- licht.

Das Debüt 'Live im Schützenhaus' gilt bis heute als eine der erfolgreichsten deutschen Jazzplatten. Am 12. September 2003 fand sich die Big Band, anläßlich des 75. Geburtstages von Albert Mangelsdorff, bei einem Konzert in der Alten Oper Frankfurt noch einmal zusammen. Statt Ian Carr war jetzt Kenny Wheeler (tr, ex-Globe Unity Orchestra, † 2014) dabei. Der Platz des im selben Jahr verstorbenen Volker Kriegel blieb unbesetzt. 1997 wurde Dauner die Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg verliehen. Drei Jahre später ab- solvierte Dauner eine US-Tournee und produzierte dazu ein Road-Movie mit Max Schauzer, 'Von New York zum Mississippi' und spielte Konzerte im Guggenheim Museum von Chicago, in New Orleans und auf den Bahamas. 2003 wurde Wolfgang Dauner mit der 'German Jazz Trophy – A Life For Jazz' geehrt. 2014 no- minierte ihn die GEMA für sein Lebenswerk für den Deutschen Musikautorenpreis. Dauner wurde als einer "der vielseitigsten Jazzpianisten und -Keyboarder unserer Zeit" (LAUDATIO) mit einem 'Sonderpreis für das Le- benswerk' des Landesjazzpreis Baden-Württemberg und einem Preisträgerkonzert in Stuttgart geehrt. 2016 folgte der 'Jazz Echo' für sein Lebenswerk.

Am 10. Januar 2020 starb Wolfgang Dauner im Alter von 84 Jahren nach längerer Krankheit. Sein Sohn Florian war, neben Auftritten mit seinem Vater, ein vielbeschäftigter Schlagzeuger, und auf unzähligen Produktionen zu hören. So arbeitet er seit längerem regelmäßig mit der deutschen Hip-Hop-Gruppe Die Fantastischen Vier zusammen.

Burghard Rausch im Juni 2020

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Weitere Informationen zu Wolfgang Dauners Et Cetera auf de.Wikipedia.org

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