Wer war/ist Schneewittchen ? - CDs, Vinyl LPs, DVD und mehr
Schneewittchen
"Die sahen aus, als kämen sie aus einem Volkshochschulkurs für Folklore." (Ina Deter)
Orchestriert mit Gitarre, Querflöte, Geige und Kontrabaß, stimmte das Frauenquartett Schneewittchen mit Faltenrock und Strickpulli Ende der 70er Jahre dieses Lied an, als überall in der Republik Frauen in Aktion gegen Männerherrschaft waren. Das Bekenntnis "Ich habe abgetrieben" in der Zeitschrift 'stern' hatte 1971 die patriachischen Strukturen ins Mark getroffen. In allen größeren deutschen Städten entstanden in der Folge autonome, parteiunabhängige Frauenzentren, Frauengruppen, Frauenhäuser, eigene Frauen- und Gesundheitszentren. Es bildete sich ein Netzwerk, mit dem Frauen ihre eigene Kultur entwickelten. Eigene Frauenbuchläden verkauften das immer reichhaltigere Angebot an Frauenliteratur, und Frauenbands wie Schneewittchen machten Frauenmusik.
"Dieses Lied wird von Frauen gesungen, und 6000 Männer und Frauen verstehen, daß dies kein Lied für Eisenbahner ist, obwohl darin etwas von Weichen steht, und daß es kein Lied für Wahlkandidaten ist, obwohl da drinsteht, du kannst dich selber wählen, und daß es kein Lied für Tänzer und für Steineschmeißer ist. Diese 6000 Leute verstehen, daß es sich hier um eine zentrale Frage unserer Zeitgeschichte handelt, daß es um die Frauenfrage geht. Diese 6000 Leute bringen das durch ihren Beifall zum Ausdruck. Der Herr Ministerpräsident jedoch stellt einen bösartigen und verleumderischen Zusammenhang zwischen diesem Emanzipationslied und einer gewalttätigen Demonstration her. Das ist infam." Der hier bei einer erregten Landtagsdebatte 1979 von der sozialdemokratischen Abgeordneten Gisela Böhrk angesprochene Ministerpräsident war Gerhard Stoltenberg. Der hatte nach einem Auftritt der Gruppe Schneewittchen vor 6000 Besuchern die Kieler Ostseehalle empört verlassen, nachdem die vier Frauen ihr Lied Unter dem Pflaster liegt der Strand gesungen hatten. Die Textzeile "… komm, reiß auch du ein paar Steine aus dem Sand" genügte Stoltenberg, um das frauenbewegte Lied mit den in Frankfurt (Main) bei einer Demonstration von Pflastersteinen getroffenen Polizisten in Zusammenhang zu bringen.
Als Schneewittchen 1978 das Lied auf dem Album 'Zerschlag deinen gläsernen Sarg' veröffentlichten, herrschte in den Köpfen vieler Männer noch ein ausgesprochen altmodisches Frauenbild vor. Die Frau gehörte demnach an den Herd, während der Mann für den Lebensunterhalt sorgte. Angi Domdey, Bruni Regenbogen, Anka Hauter und Rotraut Colberg hatten sich auf einem Frauentreffen kennengelernt. Ihr Album widmeten sie den unzähligen namenlosen Frauen, die im Lauf der Jahrhunderte für ihre Sache gekämpft hatten und dennoch in keinem Geschichtsbuch zu finden sind. Das Quartett sang in seinen Liedern von der sexuellen Befreiung ebenso wie über das neue weibliche Selbstverständnis. "Vor allem Denkanstöße geben und – Freude machen", so beschrieb Sängerin Angi Domdey das Anliegen von Schneewittchen im Frühjahr 1979. "Politische Rezepte lehnen sie ab", schrieb Margot Schroeder in Alice Schwarzers 'Emma', "weil die Unterdrückung der Frauen nicht mit 'Holzhämmern' zerschlagen werden kann, dazu ist sie zu subtil und zu vielschichtig. Die 'Schneewittchen' sind für die kleinen Schritte, nicht für Siebenmeilenstiefel, die ins Leere rasen. […] Statt des pädagogischen Zeigefingers ein Taktstock. Auch damit können gläserne Särge zerschlagen werden."
www.angi-domdey.net
Auszug aus
Various - Liedermacher in Deutschland
Vol.2, Für wen wir singen (3-CD)
/various-liedermacher-in-deutschland-vol.2-fuer-wen-wir-singen-3-cd.html
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